Der Innovationsreport 2021 wurde von Professor Gerd Glaeske und seinem Team vom SOCIUM - Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik erstellt. Das Fazit: 99 von 200 Medikamente und damit fast die Hälfte stellen keine Verbesserung für die Patientinnen und Patienten dar. Gerade einmal 26 Wirkstoffe und damit 13 Prozent stufen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Bremen als echte Innovationen ein.
Neue Arzneimittel: nicht innovativ, trotzdem verordnet
Die Studie macht aus Sicht von Professor Gerd Glaeske die Schwachstellen in der Arzneimittelforschung deutlich. Beim Blick auf die Gesamtergebnisse sei die Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie als dürftig zu bewerten. „Es kommen zu wenig Arzneimittel auf den Markt, von denen Patientinnen und Patienten wirklich profitieren“, kritisiert der Gesundheitswissenschaftler, „dennoch werden die von uns als nicht innovativ bewerteten Medikamente verordnet. Wir sehen: Der Nutzen von Medikamenten bleibt oft unbestimmt oder marginal, die Preise steigen dagegen exorbitant.“ Eine Auswertung von TK-Daten zu in den vergangenen Jahren neu auf den Markt gekommenen Medikamenten zeigt: 62 Prozent der verordneten Tagesdosen sind anhand der Bewertung der Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht innovativ, nur neun Prozent der verordneten Tagesdosen entfallen auf echte therapeutische Fortschritte.
Preisanstieg von über 1.000 Prozent
Eine weitere Zahl aus acht Jahren Innovationsreport, in denen die neuen Arzneimittel der Jahre 2010 bis 2017 bewertet wurden: Der durchschnittliche Packungspreis dieser Medikamente ist um fast 1.200 Prozent gestiegen. „Patentgeschützte Arzneimittel sind hierzulande im internationalen Vergleich zu teuer“, so Glaeske. Das im Jahr 2011 in Kraft getretene Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zeige zwar Wirkung, habe aber weiterhin Schwächen, die die Politik dringend angehen müsse. „Es ist ein Fehler im System, dass die Unternehmen die Kosten bei Markteintritt frei und völlig intransparent festlegen können. Ist ein extrem hoher Preis auf diesem Weg erst einmal etabliert, setzt dieser die Marke für die nachfolgenden Medikamente, da die Kosten anhand der Vergleichstherapie bestimmt werden – ein Teufelskreis“, so Glaeske. Der Wissenschaftler fordert außerdem, sogenannte Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Erkrankungen nicht länger in der Form zu bevorzugen, dass ihr Zusatznutzen von vornherein als belegt gilt.
Weitere Informationen:
https://www.socium.uni-bremen.de/ueber-das-socium/mitglieder/gerd-glaeske/aktuelles/
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Gerd Glaeske
SOCIUM - Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Universität Bremen
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E-Mail: gglaeske@uni-bremen.de