Nr. 063 / 9. März 2016 MM
„Können Nichteuropäer denken?“ Diese provokante Frage im Titel des jüngsten Buches des iranisch-amerikanischen Philosophen Hamid Dabashi verdeutlicht, worum es bei einer internationalen Tagung geht, die vom 15. bis 18. März 2016 an der Universität Bremen stattfindet. „Wir bringen rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen akademischen Disziplinen, Ländern und Kulturen zusammen und erforschen gemeinsam, wie Wissenssysteme, Kulturen, Sprachen und Literatur von kolonialen und postkolonialen Bedingungen beeinflusst werden“, sagt Kerstin Knopf. Die Professorin für postkoloniale Studien der Universität Bremen organisiert die Tagung mit dem englischen Titel „Postcolonial Knowledges” zusammen mit ihrer Kollegin Professorin Eeva Sippola. Die Konferenz untersucht kritisch die Dominanz westlicher Wissenssysteme in der Welt – das heißt: warum nur westliches Wissen als ‚Wissen‘ wahrgenommen und mathematisches, medizinisches, kartographisches oder philosophisches Wissen und Denken aus nicht-westlichen Kulturen ignoriert und marginalisiert wird. Neben Hamid Dabashi von der Columbia University (USA) diskutieren Gastrednerinnen und Gastredner renommierter Universitäten wie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der University of Hong Kong mit Vortragenden aus Nordamerika, Afrika, Asien und Europa über das Thema.
Sprach- und kulturwissenschaftliche Aspekte
Welche Bedeutung sprach- und kulturwissenschaftliche Aspekte bei der Tagung haben, verdeutlicht die Sprachwissenschaftlerin Eeva Sippola: „Weltweit sterben Sprachen und Kulturen immer weiter aus. Wir gehen davon aus, dass heutzutage nur noch rund 6.500 Sprachen auf der ganzen Welt aktiv gesprochen werden.“ Bei einem Viertel aller Sprachen würden sie von weniger als 1.000 Menschen gesprochen. „Kinder lernen sie meist nicht mehr“, so die finnische Wissenschaftlerin. Ein Beispiel sei die nahezu ausgestorbene Sprache Michif in Kanada – eine Mischung aus Französisch und der dortigen indigenen Sprache Cree. „Es ist wichtig, so viele Sprachen wie möglich zu erhalten und zu erforschen“, so Sippola. „Wenn wir uns nur noch auf wenige Sprachen, wie beispielsweise Deutsch und Englisch konzentrieren, können wir die vielen verschiedenen Funktionen und Bedeutungen von Sprache nicht ausreichend verstehen“, so die Forscherin. „Unsere Sichtweise auf die Dinge wäre begrenzt.“ Wie sehr der Kolonialismus die Entwicklung von Sprachen bis heute beeinflusse, verdeutliche das Beispiel Haiti. „Dort werden Kinder in der Schule auf Französisch unterrichtet, obwohl ihre eigentliche Muttersprache das haitianische Kreolisch ist. Fast die gesamte Bevölkerung mit rund 10 Millionen Menschen spricht sie“, so Sippola. Doch die offizielle Amtssprache sei überwiegend Französisch, was unter anderem zu schulischen und ökonomischen Problemen führe.
Geisteswissenschaftliches Netzwerk der Exzellenzinitiative
Bei der Tagung handelt es sich um die dritte internationale Veranstaltung in der Reihe der Konferenzen zu Sprachen und Literaturen in kolonialen und postkolonialen Kontexten. Sie wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und von der Senatorin für Wissenschaft des Landes Bremen, Professorin Quante-Brandt, besucht. Die Organisatorinnen Kerstin Knopf und Eeva Sippola gehören zum neuen geisteswissenschaftlichen Netzwerk „Worlds of Contradiction“ (Welten der Widersprüche) an der Universität Bremen. Es wird im Rahmen der Exzellenzinitiative gefördert.
Website der Konferenz: www.bcll.uni-bremen.de
Achtung Redaktionen: Medienvertreter sind eingeladen, an der Konferenz teilzunehmen und darüber zu berichten.
Kontakt:
Universität Bremen
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften
Postcolonial Literary and Cultural Studies
Prof.Dr. Kerstin Knopf
Tel.: 0421 218 68330
E-Mail: kknopfprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de