Nr. 125 / 13. Mai 2016 SC
Es gibt 320 Ausbildungsberufe. Sie werden nach dem im Berufsbildungsgesetz festgelegten Regeln entwickelt und – wenn sie veraltet sind – modernisiert. In ihrer Attraktivität und Qualität liegen sie nach der Einschätzung von 3000 Auszubildenden meilenweit auseinander. Dazu legte die Forschungsgruppe Berufsbildungsforschung (I:BB) der Universität Bremen unter Leitung von Professor Felix Rauner jetzt die Studie „Engagement und Ausbildungsorganisation - Einstellungen sächsischer Auszubildender zu ihrem Beruf und ihrer Ausbildung“ vor.
Unerwartet hoch ist die Identifizierung der Auszubildenden mit „ihrem“ Beruf: Die berufliche Identität überragt deutlich die emotionale Bindung an ihren Ausbildungsbetrieb. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die subjektive Bedeutung einen Beruf zu erlernen und sich mit diesem zu identifizieren – trotz oder gerade wegen der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes – zugenommen hat. Das Motto der Azubis von heute lautet also: „Meinen Beruf kann ich beim Wechsel in ein anderes Unternehmen mitnehmen – meinen Ausbildungsbetrieb nicht“.
Berufliche Identität begründet berufliches Engagement, Qualität-und Verantwortungsbewusstsein. „Für die Unternehmen ist dies eine notwendige Voraussetzung, schlanke Organisationsstrukturen einzuführen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“, sagt Rauner. „Auf die Verlagerung von Kompetenzen und Verantwortung in die direkt wertschöpfenden Prozesse kommt es also an“.
Eine große Zahl der Ausbildungsberufe verfügt jedoch nicht über die Attraktivität, die ausreicht, um sich mit ihnen zu identifizieren. Ein niedriges Identifikationspotenzial lässt sich auch durch eine gute Ausbildung nur begrenzt kompensieren. Das belegen die Ergebnisse der insgesamt 80 untersuchten Berufe. Für eine moderne Beruflichkeit, so eine der vielen Schlussfolgerungen der Studie, bedarf es der Einführung von Gütekriterien.
Die Studie zeigt weiter, dass die Attraktivität der Berufsausbildung auch eine hohe Ausbildungsqualität voraussetzt. Diese liegt in den untersuchten Berufen überraschend weit auseinander. Eine hohe Qualität bescheinigen die Auszubildenden ihrer Ausbildung nur, wenn sie lernen, ihre Tätigkeiten in die betrieblichen Geschäftsprozesse einzuordnen. Es überrascht daher nicht, dass das Lehrgangs-Lernen in Lehrwerkstätten die Qualität der betrieblichen Berufsausbildung mindert. Zudem wird von den Auszubildenden durchgängig die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den beiden Lernorten Betrieb und Schule benannt.
Die Bremer Bildungsforscher legen in ihrer Studie nicht nur Analyseergebnisse vor, sondern leiten daraus auch Handlungsempfehlungen ab. Dazu zählt der Vorschlag, eine berufsorientierende Bildung vom Kindergarten bis zum Schulabschluss einzuführen, damit Schüler und Schülerinnen ihre Fähigkeiten und die Ausbildungsmöglichkeiten ihrer Region kennen lernen. Des Weiteren sollte die Struktur der Lernortkooperation auf der Grundlage rechtlich verbindlicher Regelungen die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der dualen zu einer dual-kooperativen Berufsausbildung schaffen.
Die Studie steht als Download auf der Homepage www.ibb.uni-bremen.de zur Verfügung.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Forschungsgruppe Berufsbildungsforschung (I:BB)
Prof.Dr. Felix Rauner
Tel. 0421 218 62636
E-Mail: raunerprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
www.ibb.uni-bremen.de