Nr. 399 / 19. Dezember 2011 SC
Bildung ist der Schlüssel für soziale Gerechtigkeit. Eine wesentliche Rolle spielt dabei schulischer Erfolg. Untersuchungen des deutschen Bildungssystems belegen, dass soziale Schicht und eine nicht-deutsche Muttersprache die wichtigsten Faktoren für Bildungsbenachteiligung in Deutschland sind. Um Defizite, beispielsweise in der deutschen Sprache, zu kompensieren, sind in allen Bundesländern Förderprogramme für Schülerinnen und Schüler mit ausländischen Wurzeln aufgelegt worden. Doch reichen diese Schritte? Ist Kompensation von Defiziten überhaupt der richtige Weg? Auf der Basis einer Regionalstudie für Bremen regen die Bildungswissenschaftlerinnen Professor Yasemin Karakasoglu, Mirja Gruhn und Anna Wojciechowicz von der Universität Bremen an, Schule in einer multikulturellen Gesellschaft neu zu positionieren. In der Untersuchung „Interkulturelle Schulentwicklung unter der Lupe“ befürworten sie eine konzeptionelle Neuorientierung der Bildungslandschaft, die den Blick auf den Normalfall des Schülers oder der Schülerin mit Migrationshintergrund legt. Im Mittelpunkt der Expertise stehen Konzepte, die ein gleichberechtigtes Miteinander von unterschiedlichen Ethnien, Sprachen und Kulturen als Selbstverständlichkeit ansehen und die die Gleichberechtigung aller als Kern jeglicher Arbeit formulieren.
In ihrer Expertise unterstreichen die Autorinnen die zentrale Bedeutung der institutionen- und akteursübergreifenden Bildungsarbeit, um Chancengleichheit herzustellen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Kinder und Jugendliche nur durch das Zusammenarbeiten von Eltern, Kindergärten, Schulen, beruflichen Betrieben und Universitäten gezielt auf ihrem Bildungsweg begleitet werden können. Diese kontinuierliche Begleitung ermöglicht eine rasche und individuell zugeschnittene Unterstützung. Sie ist zentrale Voraussetzung für eine an den vielfältigen Anforderungen der heterogenen Schülerschaft ansetzende Bildung, die eine gleichberechtigte Teilhabe am deutschen Bildungssystem ermöglicht.
Den Bremer Bildungsforscherinnen ist durchaus bewusst, dass eine grundsätzlich neue Strategieausrichtung von Schule im Umgang mit der sprachlich-kulturellen Heterogenität von Schülern und Schülerinnen nicht von heute auf morgen zu realisieren ist. Aber es gibt in vielen Schulen in Bremen bereits gute Ansätze, Gleichberechtigung im Unterricht zu erleben und im Umgang miteinander in der Schule zu erproben. Diese werden in der Expertise beschrieben. Verbesserungsbedarf sehen die Autorinnen vielmehr in der Vernetzung dieser Projekte. Daher werden in den für Bremen formulierten Handlungsempfehlungen gezielt Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine Bildungszusammenarbeit gelingen kann. Die Grundlage dieser Empfehlungen bildet eine detaillierte Recherche zu internationalen, europäischen und innerhalb der Bundesrepublik angesiedelten Best-Practice-Beispielen. Die Ergebnisse der Expertise fließen derzeit in den Schulentwicklungsplan „Migration und Bildung“ der Bremer Bildungssenatorin ein. Die Studie ist mit dem Titel „Interkulturelle Schulentwicklung unter der Lupe. (Inter-)Nationale Impulse und Herausforderungen für Steuerungsstrategien am Beispiel Bremen“ im Waxmann Verlag Münster erschienen.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Bildungs- und Erziehungswissenschaften
Interkulturelle Bildung
Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu
Tel. 0421 218 69120
E-Mail: karakasoprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de