Die SOCIUM-Autoren, die Gesundheitsökonomen Professor Heinz Rothgang und Dr. Rolf Müller, haben für den aktuellen Report Daten aus der Pflegestatistik und Routinedaten der BARMER wissenschaftlich ausgewertet.
Das Fazit: Im Jahr 2025 und in den Folgejahren werden eine Millionen Menschen mehr pflegebedürftig sein als mit konventionellen Schätzungen vorausgesagt. Als Grund dafür sehen die Autoren die Auswirkungen der letzten Pflegereformen und damit eine Ausweitung der Leistungsberechtigten.
„Um herauszufinden, wie viele Menschen in Zukunft gepflegt werden müssen, wird zurzeit die Häufigkeit aktueller Krankheiten – die sogenannten Prävalenzen – herangezogen. Dadurch wurde die zukünftige Anzahl an Pflegebedürftigen unterschätzt,“ betont Professor Rothgang. Er fordert eine Ausbildungsoffensive.
Stark steigende Zahl an Pflegebedürftigen
Seit den 2010er Jahren wird der Kreis der Patienten, die leistungsberechtigt sind, zunehmend ausgeweitet. Der Grund, dass schrittweise kognitive Einschränkungen wie Demenz für den Leistungsanspruch gegenüber der Pflegeversicherung berücksichtigt werden können. Zwischen 2017 und 2019 ist nach den Daten der Pflegestatistik die Zahl der Pflegebedürftigen um 713.000 gestiegen. Der Anstieg beruhte mit 145.000 Fällen auf demografischen Entwicklungen und mit 568.000 Fällen auf anderen Effekten, wie sie durch die Einführung der Pflegegrade entstanden sind.
„Aktuelle Vorausberechnungen, die auf den Pflegeprävalenzen von 2019 beruhen, unterschätzten schon die Anzahl der Pflegebedürftigen des Jahres 2020 um über 6 Prozent“, gibt Professor Rothgang zu bedenken.
Die Autoren des Pflegereports gehen davon aus, dass es in den nächsten Jahren keine weitere Ausweitung des leistungsberechtigten Personenkreises durch weitere gesetzgeberische Maßnahmen geben wird, aber dass der Einführungseffekt der letzten Reformen nur langsam bis zum Jahr 2025 abklingt. In der Summe ergeben sich dann ab 2025 rund eine Million mehr Pflegebedürftige als mit der konventionellen Schätzung. Die neueren Schätzungen weisen vor allem mehr Pflegebedürftige mit den Pflegegraden 1 bis 3 und mit Bezug von Pflegegeld aus.
Bedarf an Pflegekräften um 3 Prozent höher als konventionell geschätzt
Trotz der Vielzahl an Pflegebedürftigen mit geringen Pflegegraden wird es nach Berechnungen der Bremer Wissenschaftler auch im stationären Sektor einen höheren Bedarf geben als mit konventionellen Methoden vorausberechnet. Es werden im Vergleich 3 Prozent mehr Pflegekräfte benötigt als mit konventionellen Methoden berechnet. Insgesamt wird für das Jahr 2030 ein Personalbedarf von 510.000 Pflegefachkräften, 196.000 Pflegehilfskräften mit 1- bis 2-jähriger Ausbildung und 386.000 Pflegehilfskräften ohne Ausbildung vorhergesagt. Das sind 81.000 Pflegefachkräfte, 87.000 Pflegehilfskräfte mit Ausbildung und 14.000 Pflegekräfte ohne Ausbildung mehr als durch die Pflegestatistik für das Jahr 2019 ausgewiesen. Daraus ergibt sich für 2030 im Vergleich zu 2019 ein Mehrbedarf von 182.000 Pflegekräften.
Benötigt wird eine Ausbildungsoffensive
Das Hauptproblem, so das Fazit, bleibe die Rekrutierung des Pflegepersonals. Den Mehrbedarf zu befriedigen, sei die zentrale Herausforderung der Pflegepolitik, betont Professor Rothgang. „Dazu muss das Ausbildungsangebot erhöht werden. Zudem muss der Beruf durch bessere Arbeitsbedingungen und höhere Entlohnung attraktiver gemacht werden.“ Dadurch könne es gelingen, Pflegekräfte zu einem längeren Verbleib im Beruf zu bewegen und potenzielle Auszubildende für den Beruf zu gewinnen.
Weitere Informationen:
BARMER Pflegereport: https://www.socium.uni-bremen.de/uploads/News/2021/20211201_BARMER_Pflegereport_2021.pdf
Statement Rothgang: https://www.socium.uni-bremen.de/uploads/News/2021/20211201_Statement_Rothgang_Pflegereport2021.pdf
Präsentation Rothgang: https://www.socium.uni-bremen.de/uploads/News/2021/20211201_Prasentation_Rothgang_Pflegereport2021.pdf
Fragen beantworten:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Universität Bremen
Telefon: +49 421 218-58557
E-Mail: rothgangprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
Dr. rer. pol. Rolf Müller
SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik
Universität Bremen
Telefon: +49 421 218-58554
E-Mail: rmintprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de