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3,8 Millionen Euro für die Stromnetze von morgen

Offshore-Windenergie ist in aller Munde, wenn es um die nachhaltige Energieversorgung von morgen geht. Der Forschungsbedarf auf diesem Gebiet ist groß – und wichtige wissenschaftliche Grundlagen werden zunehmend im Land Bremen erarbeitet.

So fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) jetzt ein mehrjähriges Verbundprojekt von der Universität Bremen, dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) und Industriepartnern mit 3,8 Millionen Euro. Inhaltlich geht es dabei um neue Strukturen beim Gleichstrom-Netz, mit denen das wirtschaftliche Potenzial von Offshore-Windenergieanlagen verbessert werden soll.

Die Fachleute wissen es, „Otto Normalverbraucher“ eher nicht: Wie wird eigentlich der Strom vom Erzeuger zum Verbraucher gebracht? „In Deutschland geschieht das über Drehstrom-Netze. Die sind der Bevölkerung bestens bekannt durch die Überland-Leitungen“, erläutert Holger Raffel vom Bremer Centrum für Mechatronik an der Universität Bremen. „Wenn es um den Stromtransport über lange Distanzen geht, ist weltweit aber eher Gleichstrom angesagt. Dies geschieht durch Punkt-zu-Punkt-Verbindungen auf Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsstrecken – kurz: HGÜ-Strecken.“ Zum Beispiel, wenn Strom von Schweden nach Deutschland transportiert wird oder von einem weit entfernten Windpark an die Küste.

Wie kommt Strom verlustarm von Norden nach Süden?

Holger Raffel ist Koordinator des neuen Verbundprojekts „Multi-Terminal intelligent/integrated Grids“ (MuTiG), an dem neben dem Institut für elektrische Antriebe, Leistungselektronik und Bauelemente (IALB) der Universität Bremen und dem Fraunhofer IWES (Bremerhaven) die Industriepartner ABB AG (Ladenburg) und wpd offshore solutions GmbH (Bremen) beteiligt sind. In diesem Projekt soll jetzt die Gleichstrom-Lösung mit verknüpften HGÜ-Strecken für Deutschland weiterentwickelt werden. Der Anlass: „Es wird derzeit intensiv diskutiert, wie der im Norden erzeugte Offshore-Strom über weite Strecken nach Süden kommt, sozusagen von der Küste in die Berge“, so Raffel. Natürlich ginge dies auch über die vorhandenen Drehstrom-Netze. „Aber über lange Distanzen entstehen dabei große Verluste. Das will niemand. Gleichstrom-Strecken hingegen sind verlustarm – und somit deutlich wirtschaftlicher.“

Für die Realisierung dieser Lösung ist ausgeklügelte Regelungstechnik notwendig – und das Know-how dafür kommt aus dem Land Bremen. Das IALB und das IWES arbeiten seit Jahren auf verschiedenen Ebenen bei den physikalischen und elektrotechnischen Herausforderungen zusammen, die die Erzeugung und Weiterleitung von Offshore-Windenergie mit sich bringt. Zusammen mit den industriellen Verbundpartnern im MuTiG-Projekt wollen sie jetzt Forschung und Anwendung in Einklang bringen, um das Stromnetz von morgen zu schaffen.

Werden eines Tages die Strommasten aus der Landschaft verschwinden?

Dabei geht es den MuTiG-Projektpartnern nicht nur darum, den Stromtransport von Nord nach Süd verlustarm zu gestalten. „Die Punkt-zu-Punkt-Verbindungen bei HGÜ-Strecken muss man sich wie nebeneinander liegende Stromkabel vorstellen, die von der Küste nach Bayern, Sachsen oder Thüringen führen. Wir wollen diese nebeneinander liegenden Strecken jetzt an zahlreichen Stellen miteinander verknüpfen. Das hat zum Beispiel den Vorteil, dass – wenn irgendwo ein Kabel bricht – der Strom gen Süden über ein anderen Kabel ‚umgeleitet‘ werden könnte“, so Raffel. „Da HGÜ-Kabel heute in der Regel unterirdisch verlegt werden, könnte es eines Tages sogar zu einem Verschwinden der Strommasten in Deutschland kommen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.“

Um die Stränge funktionierend miteinander zu verknüpfen, bedarf es intelligenter Konverterstationen. Die verschiedenen Alltagssituationen, die auftreten können, effizient zu regeln, ist eine der Aufgaben innerhalb des Projektes. Denn moderne Stromübertragungssysteme sind sehr empfindlich. Schon geringe Schwankungen können das Gleichgewicht stören – die Gefahr eines „Blackouts“ schwebt immer im Hintergrund. Die Forschungen des Verbundprojektes sollen letztlich auch dazu dienen, das deutsche und europäische Stromnetz robuster zu machen. In den kommenden drei Jahren wollen die vier Projektpartner dabei neben technischen auch rechtliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte erforschen.

Achtung Redaktionen: Fotos zu dieser Pressemitteilung können Sie hier herunterladen: seafile.zfn.uni-bremen.de/f/47e134720dc748d5abb5/

Fragen beantwortet:

Dr. Holger Raffel
Universität Bremen
Bremer Centrum für Mechatronik
Tel.: 0421/218-62690
E-Mail: raffelprotect me ?!mechatronik-bcmprotect me ?!.de
www.mechatronik-bcm.de
 

Über die Projektpartner: Die ABB AG aus Ladenburg bringt im Rahmen des Forschungsprojektes unter anderem ihre Kompetenzen und Erfahrungen im Bereich der HGÜ-Systeme ein. Der weltweit tätige Technikentwickler und -hersteller wird schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Anschlusstopologien zur Umwandlung von elektrischer Energie sowie Lösungen zur Überwachung und zum Schutz elektrischer Netze forschen. Aufgrund ihrer langjährigen internationalen Erfahrung bei der Projektierung und Umsetzung von Windenergieprojekten unterstützt die bremische wpd offshore solutions GmbH in den Bereichen Anschluss, Betrieb, Risiken und Verantwortlichkeiten bei deutschen Offshore-Windprojekten. Das Fraunhofer IWES stellt seine Kompetenzen und Erfahrungen im Bereich der Anlagen- und Parkmodellierung, Anlagenbetriebsführung und Regelung sowie auf dem Bereich der Echtzeitsimulation dem Konsortium zur Verfügung. Im Projekt MuTiG führt das IWES die Anlagen- und Interparknetzmodellierungen durch und erarbeitet neue Lösungsansätze für das Gesamtsystemmodell des Offshore-Windenergieübertragungssystems.

www.iwes.fraunhofer.de
www.abb.com/de
www.wpd.de
www.ialb.uni-bremen.de

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