Nr. 138 / 25. April 2012 SC
Auf einer Pressekonferenz, die heute auf der Jahrestagung der EGU (European Geosciences Union) in Wien stattfand, berichteten die Professoren Gerold Wefer, Universität Bremen, und Michael Strasser, ETH Zürich, von ihrer Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE vor der japanischen Küste. Die Fahrt, an der auch japanische und schweizerische Wissenschaftler teilnahmen, fand vom 8. März bis 6. April 2012 statt. Die Reise galt den Spuren, die das große Tohoku-Erdbeben vom 11. März 2011 am Meeresboden hinterlassen hat. Es zeigte sich, dass das Megabeben vor mehr als einem Jahr große Sedimentmengen aufwirbelte und umlagerte. Sedimentproben, die das Forscherteam aus bis zu 7.700 Meter Wassertiefe an die Oberfläche brachte, enthielten Hinweise auf weitere Megabeben, die sich in jüngerer Erdgeschichte ereigneten.
Das deutsche Forschungsschiff SONNE brach am 8. März von Yokohama aus zu Expedition auf. An Bord Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Japan und der Schweiz. Leiter der Expedition, die vom Bundesministerium für Forschung und Bildung sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurde, war Professor Gerold Wefer, Direktor des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen (MARUM). Während der knapp einmonatigen Expedition untersuchte das insgesamt 33-köpfige Team auf zwei Fahrtabschnitten Meeresregionen im Epizentrum des großen Bebens im März 2011. Japanische Forscher lokalisierten das Zentrum dieses Bebens etwa 70 Kilometer vor der Küste der größten japanischen Insel Honshu in rund 32 Kilometer Tiefe.
„Trotz heftiger Winde und hohem Seegang konnten wir mit unserem Tauchroboter MARUM-QUEST zwei japanische Tiefseeobservatorien in rund 2.700 Meter Wassertiefe ansteuern“, sagt der Meeresgeologe Professor Wefer. „Dabei zeigte sich, dass eines der beiden Observatorien offenbar infolge des Erdbebens nach Südosten versetzt worden war.“ Diese Beobachtung steht im Einklang mit Messungen japanischer Forscher, die belegen, dass Teile der Erdkruste im Bereich des Japan-Tiefseegrabens durch das Beben um etwa 50 Meter, einige Bereiche der Küste von Honshu immerhin noch um bis zu fünf Meter nach Osten versetzt worden waren.
„Diesen Versatz im Bereich des Epizentrums konnten wir auch mit Hilfe unserer Fächerecholot-Messungen bestätigen“, sagt Expeditionsleiter Gerold Wefer. Sein Team verglich die mit dem FS SONNE erfassten Daten mit Kartierungen, die von japanischen Wissenschaftlern auf den gleichen Profilen bereits 1999 und 2004 durchgeführt worden waren. „Überraschenderweise konnten wir weiter nördlich bzw. südlich keinen Versatz feststellen. Die Bewegungen der Erdkruste scheinen also auf einen relativen engen Bereich beschränkt zu sein“, sagt der Meeresgeologe. Insgesamt kartierte die Forschergruppe den Meeresboden während der SONNE-Expedition auf einer Gesamtlänge von mehr als 2.500 Seemeilen, das entspricht 4.630 Kilometern.
Auf dem zweiten Fahrtabschnitt war das SONNE-Team vor allem daran interessiert, Proben vom Meeresboden zu gewinnen. Mit Hilfe des Schwerelots, einer Art Hohlzylinder, konnten insgesamt 95 Meter Sedimentkerne von etwa 12 Zentimeter Durchmesser an die Oberfläche gebracht werden. Die Proben stammen sowohl aus flacheren, küstennahen Bereich als auch aus den Tiefen des Japan-Grabens und wurden in Meerestiefen von etwa 1.350 bis zu 7.550 Metern gewonnen.
Professor Michael Strasser, Geologe an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), führte erste Untersuchungen bereits im Geolabor der SONNE durch: „Die Sedimentproben aus dem Japan-Graben zeigen uns, dass das Erdbeben im März 2011 untermeerische Rutschungen ausgelöst und große Sedimentmengen umgelagert hat.“ Während seiner noch vorläufigen Untersuchungen stieß der früher am MARUM tätige Geologe auch auf die Spuren dreier großer früherer Erdbeben. „Weitere Analysen, die wir in den nächsten Monaten in unseren heimatlichen Labors durchführen, werden zeigen müssen, was es mit diesen älteren Megabeben auf sich hat bzw. wann sie sich ereigneten“, sagt Strasser. „Erst danach können wir hoffentlich Aussagen darüber treffen, im welchem zeitlichen Rhythmus sich Starkbeben wie das vor gut einem Jahr ereignen.“
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