Nr. 031 / 2. Februar 2011 SC
„Ohne dass uns die Verträge zwischen der Universität und den Wirtschaftsunternehmen im einzelnen bekannt sind“ befürchten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, wie sie selbst schreiben, „die Außensteuerung der Universität“ und die „Gefährdung der Unabhängigkeit der Wissenschaft“. Es wird einfach unterstellt, die Universität und die Kolleginnen und Kollegen in den über Stiftungsprofessuren entscheidenden Berufungskommissionen und Fachbereichsräten seien sozusagen käuflich. Und sie würden sich, angesichts der von der Firma OHB mit finanzierten Stiftungsprofessur „Weltraumtechnologie“, zunehmend auf Rüstungsproduktion oder gar Rüstungsforschung einlassen. Tatsächlich produziert die Firma OHB keine Waffen. Sie produziert u. a. Satelliten, die sowohl zur Überwachung der internationalen Rüstungskontrollverträge als auch für militärische Aufklärungszwecke einsetzbar sind (Dual-Use).
Möglicherweise viel problematischer als die mit sorgenvoller Miene vorgetragene Skandalisierung der Vorgänge in unserem Fachbereich ist allerdings die in der Erklärung zu Tage tretende Vorstellung von einem ‚richtigen‘ Verhältnis von Universität und Gesellschaft. Aus Furcht vor einer möglichen „Außensteuerung“ und einer „Gefährdung der Unabhängigkeit der Wissenschaft“ wird versucht, die Universität in ihren längst verlassenen Elfenbeinturm zurückzudrängen. Dies wird sich aber weder die Gesellschaft noch die Universität im Ernst leisten wollen bzw. leisten können. Immerhin gehören die Hinwendung zur Gesellschaft und das Bemühen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zur Lösung grundlegender gesellschaftlicher Probleme beizutragen, zu den besten Traditionen gerade der Bremer Universität.
Wissenschaft und Universität werden von der Gesellschaft finanziert und die Gesellschaft kann auch von ihr mit Fug und Recht einen Beitrag zur Lösung ihrer Probleme erwarten. Dieser Beitrag kann in Form von Grundlagenforschung erfolgen, zunächst ganz ohne Anwendungsperspektive. Er kann und sollte aber auch in angewandter Forschung bestehen. Wem das Wohl der Region Bremen und ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Herzen liegt, dem kann die Wettbewerbsposition der hiesigen Unternehmen (und nicht nur der) nicht egal sein. Wenn anwendungsorientierte Wissenschaft hierzu einen Beitrag leisten kann, ist dies alles andere als verwerflich. Wem der Schutz verfolgter Minderheiten am Herzen liegt und wer diese im Ernstfall auch durch UNO-Blauhelmeinsätze geschützt sehen möchte, kann deren Informationslage und Ausrüstung vor Ort nicht egal sein. Auch hierzu einen Beitrag zu leisten, wäre alles andere als unmoralisch.
Insofern ist es einerseits völlig richtig, dass sich die Universität Bremen für Friedensforschung engagiert. Andererseits dürfte es aber nicht nur einer Mehrheit in der Gesellschaft, sondern auch einer Mehrheit an der Universität Bremen klar sein, dass auch die Menschenrechte immer wieder mit Waffengewalt geschützt werden müssen. Die Debatte über ‚Rüstungsforschung‘ in der zweiten Hälften des 20sten Jahrhunderts, die auch das oben angesprochene Selbstverständnis der Universität Bremen prägte, war bestimmt von der globalen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen. Die Debatte über ‚Rüstungsforschung‘ im 21sten Jahrhundert muss, nicht nur angesichts der oben thematisierten Dual-Use-Problematik, sondern auch angesichts stark veränderter Bedrohungs- und Sicherheitslagen, wesentlich differenzierter geführt werden. Die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer des Fachbereichs Produktionstechnik sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung durchaus bewusst und möchten alle Beteiligten zu einer solchen differenzierten Diskussion ausdrücklich einladen.
Prof. Dr. Arnim von Gleich
Universität Bremen
FB Produktionstechnik (Production Engineering)
FG Technikgestaltung und Technologieentwicklung (Technological Design and Development)
Tel.: 0421 218-2844 (Sekr. 218-2681)
E-Mail: gleichprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
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