Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind auf Predatory Publishers hereingefallen und haben über die Verlage Paper veröffentlicht oder ihre Konferenzen besucht. Auch ich habe als Ko-Autor zusammen mit mehreren anderen Wissenschaftlern in den Jahren 2009 bis 2014 Beiträge bei einigen solcher Verlage publiziert – an einer Konferenz dieser Verlage habe ich nicht teilgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war für mich nicht ersichtlich, dass es sich dabei um Predatory Publisher handelt. Auch meine Ko-Autoren haben mir gegenüber niemals Zweifel an der Seriosität der Verlage oder der Veranstalter geäußert. Ich und die Universität Bremen stehen fortgesetzt hinter der Idee des Open Access. Diese Publikationsmethode bietet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine weitere Möglichkeit neben den klassischen subskribierten Journals ihre Ergebnisse zu veröffentlichen und somit einer größeren Leserschaft zur Verfügung zu stellen. Leider jedoch ist der Markt der Open Access-Verlage sehr unübersichtlich geworden.
Als die gute Idee des Open Access vor circa zehn Jahren stark an Unterstützung gewann, entstand eine Reihe von neuen Verlagen am Markt, die einen seriösen Eindruck gemacht haben. In der damaligen Zeit gab es für mich und meine Kolleginnen und Kollegen keinen Grund, an der Seriosität dieser Verlage zu zweifeln, auch aufgrund mangelnder Historie und Erfahrung mit diesen neuen Verlagen. Politische Umbrüche wie die EU-Osterweiterung und die Öffnung der Wissenschaftssysteme in Asien und den arabischen Ländern brachten weitere Anbieter sowie Autorinnen und Autoren auf die Märkte. Dass diese neuen Verlage uns unbekannt sein mussten, lag also in der Natur der Sache.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vom Open Access Modell überzeugt waren, sind damals also dazu übergegangen, ihre Veröffentlichungen auch bei diesen Verlagen zu publizieren, obwohl sie dadurch Nachteile in der Bibliometrie in Kauf nahmen. Denn mit Veröffentlichungen in neuen Journals bei neuen Verlagen kann man als Autorin oder Autor in den ersten Jahren zwangsläufig nicht so gute bibliometrische Kennzahlen erreichen wie mit dem Publizieren bei etablierten Verlagen. Open Access hatte für diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern also eine größere Bedeutung als gute Kennzahlen.
Für mich persönlich war es wichtig, einen Mittelweg zu suchen – neben dem Publikationsweg über klassische Journals bei etablierten Verlagen auch die Veröffentlichung im Open Access und dann zwangsläufig in neuen Journals bei neuen Verlagen. Bei beiden Wegen stand und steht für mich bis jetzt immer die wissenschaftliche Seriosität und Qualität der veröffentlichten Beiträge im Vordergrund.
Sämtliche Publikationen, die ich in Ko-Autorenschaft bei den in der aktuellen Berichterstattung als Predatory Publisher identifizierten Verlagen mitveröffentlicht habe, stehen seit 2009, beziehungsweise seit 2014 im Open Access. Sie sind also seit mehreren Jahren für jedermann frei von Kosten im Internet les- und herunterladbar. Klassische Verlage bieten diese Möglichkeit nicht an. Dort müssen Nutzerinnen und Nutzer in der Regel etwa 30 Euro zahlen, um einen Beitrag lesen zu können.
Zu keinem der Beiträge mit meiner Ko-Autorenschaft gab es in diesen Jahren irgendwelche Einwände. Die wissenschaftliche Qualität und Integrität der veröffentlichten Texte stehen also außer Frage. Die Publikationen sind zudem auf der Basis von drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten entstanden. In den Abschlussberichten der Forschungsprojekte sind die Veröffentlichungen entsprechend aufgeführt und beigelegt. Diese Berichte sind von anonymen Gutachtern geprüft worden. In den mir durch die Drittmittelgeber wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft mitgeteilten Stellungnahmen sind weder die Publikationen noch die gewählten Publikationsorgane kritisiert worden.
Hätten ich selbst oder meine Ko-Autoren damals Zweifel an der Seriosität der Verlage gehabt, hätten wir dort sicherlich nicht veröffentlicht. Heute würde ich nicht mehr bei den betreffenden Verlagen publizieren und auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor diesen warnen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Beiträge, der Jahre zurückliegt, waren mir das Phänomen und die Praktiken der Predatory Publisher aber nicht bekannt.
Die Universität Bremen nimmt die Aufgabe der Warnung vor Raubverlegern sehr ernst. Die Staats- und Universitätsbibliothek informiert regelmäßig über das Publizieren im Open Access sowie über Predatory Publishers. Auch in der 2017 veröffentlichten Richtlinie zur institutionellen Zugehörigkeit in Forschungspublikationen verweist die Universität auf die Bedeutung der Qualitätskontrolle bei der Auswahl von Open-Access Portalen. Außerdem berät die Staats- und Universitätsbibliothek Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die einen Antrag zur Förderung von Open Access-Publikationen bei ihr stellen, gezielt bei der Auswahl möglicher Verlage.
Die Diskussion, die durch die aktuelle Berichterstattung ausgelöst wurde, ist wichtig und gut. Sie leistet einen Beitrag dazu, bei allen Mitgliedern des Wissenschaftssystems ein Problembewusstsein für die Machenschaften der Raubverleger zu schaffen. Dafür ist es aber von großer Bedeutung, dass in der Debatte sorgfältig zwischen den Raubverlegern einerseits und redlichen Autorinnen und Autoren andererseits unterschieden wird. Es darf nicht der falsche Eindruck entstehen, dass es in der Wissenschaft mehr Fake als Wahrheit gibt. Nicht alles, was bei Predatory Publishers veröffentlicht wurde, ist auch gleichzeitig wissenschaftlich unseriös. Nicht nur ich, sondern auch zahlreiche andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind auf solche Verlage hereingefallen. Dieser Umstand sollte nun nicht dazu verwendet werden, um die Seriosität und Integrität von Personen anzugreifen, die wissenschaftlich einwandfrei gearbeitet haben. Nur wenn die Diskussion mit wachem und differenziertem Blick geführt wird, ist sie am Ende auch hilfreich für uns alle.
Die Universität Bremen nimmt die Veröffentlichungen des Recherche-Netzwerks zum Anlass, um ihre Aktivitäten zur Aufklärung und Warnung vor Predatory Publishers ab sofort weiter zu intensivieren, damit Raubverleger an der Universität Bremen keine Chance haben.
Professor Dr.-Ing. Bernd Scholz-Reiter
Zum Thema: Universität Bremen warnt vor Raubverlegern