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Gebildete des 18. und 19. Jahrhunderts engagierten sich für Verbreitung der Aufklärungsideen im Volk

Langjähriges Forschungsprojekt „Volksaufklärung“ kommt zum Abschluss

Nr. 164 / 6. Juni 2016 SC

Die Gedanken der Aufklärung sollten allen Menschen nahegebracht und im Alltag nützlich werden. Das ist eine Kernaussage des Forschungsprojektes „Volksaufklärung“, das jetzt mehr als drei Jahrzehnte nach dem Projektstart mit dem Erscheinen von vier umfangreichen Bänden im renommierten Stuttgart-Bad Canstatter Verlag Frommann-Holzboog vor dem Abschluss steht. Gefördert von der Thyssen-Stiftung, der VolkswagenStiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) dokumentieren die Professoren Holger Böning (Universität Bremen, Deutsche Presseforschung) und Reinhart Siegert (Universität Freiburg) in insgesamt sieben Bänden eines biobibliographischen Handbuchs, dass den Gebildeten des 18. und 19. Jahrhunderts das Prinzip allgemeiner und universaler Aufklärung durchaus nicht gleichgültig war. Diese Tatsache verändert unser Bild von der Aufklärung vollständig. In einer breiten Bürgerinitiative, die von den Zeitgenossen als „Volksaufklärung“ bezeichnet wurde, engagierten sich Pfarrer beider Konfessionen, Ärzte, Publizisten und Wirtschaftsbeamte für eine allgemeine Volksbildung.

Mehrere zehntausend Schriften haben Böning und Siegert in die Hand genommen und die wichtigsten davon in ihren Handbüchern nach ihren Inhalten und Erscheinungsdaten beschrieben. Erfasst wurden sowohl Lesestoffe, die sich an das Volk selbst wenden, um zu seiner wirtschaftlichen, moralisch-sittlichen, religiösen und politischen Aufklärung und Unterrichtung beizutragen, als auch gedruckte Texte, in denen Gebildete miteinander über Volksaufklärung kommunizieren. Die vier jetzt erschienenen Bände des Handbuchs betreten völliges Neuland und dokumentieren ein von der neueren multidisziplinären Aufklärungsforschung als vordringlich erachtetes Desiderat. Ausklang und Nachwirkung der Aufklärungsbewegung im deutschen Sprachraum bis 1850 und darüber hinaus. Er legt 5.000 kommentierte Belege dafür vor, dass die Aufklärung im 19. Jahrhundert keineswegs „überwunden“ oder gar tot war, davon sogar 700 aus der Zeit nach 1860. Auf die zwanzig Jahre, in denen die Volksaufklärung die Volksbildung dominierte, folgte nach dem verheerenden Einbruch durch die Französische Revolution noch ein halbes Jahrhundert, in dem die Volksaufklärung in die Breite wirkte, jetzt meist ohne staatliche Unterstützung und oft gegen massive staatliche und ultramontan-katholische Repression. Die Niederschlagung der Revolution von 1848/1849 erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem die Volksaufklärung längst auf dem Weg aus dem Schrifttum in die Köpfe war.

Vom 6. bis 8. Juli 2016 findet in Reckahn im Rochow-Museum die Tagung „Volksaufklärung – Vom Fortwirken der Aufklärung im 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum und im internationalen Vergleich“ statt, auf der die Ergebnisse der jetzt erschienenen vier Bände des Volksaufklärungshandbuches diskutiert werden. Bei der von der DFG geförderten Tagung treffen sich 44 Wissenschaftler aus acht Ländern. Für die Organisation sind die Professoren Holger Böning, Reinhart Siegert, Iwan-Michelangelo D'Aprile und Hanno Schmitt (beide Universität Potsdam) verantwortlich.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Deutsche Presseforschung
Prof.Dr. Holger Böning
Tel.: 0421 218 67680
E-Mail: boeningprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de