Der Brite Michael Tippett hat sein nachdenkliches und ergreifendes Oratorium für Chor, Orchester und Solostimmen in den Jahren 1939 bis 1941 komponiert. Der Titel – auf Deutsch: „Ein Kind unserer Zeit“ – bezieht sich auf den 17-jährigen jüdischen Jungen Herschel Grynszpan, der im November 1938 in Paris ein Attentat auf den deutschen Botschaftsrat Ernst vom Rath verübt hatte. Die Nazis nahmen es zum Anlass für die Pogrome gegen die jüdische deutsche Bevölkerung, die „Reichskristallnacht“. Tippett hatte im britischen Ausland durch die Medien von dem Attentat und den Pogromen erfahren und reagierte darauf unmittelbar mit der Komposition dieses Oratoriums.
Werk übt Kritik an Pogromen und Attentat
Tippett, ein entschiedener Pazifist, reflektiert die Hintergründe und Motive von Grynszpans Tat und ihre Konsequenzen. Deshalb betrachtet er die Pogrome mit Abscheu, steht aber auch dem Attentat von Herschel Grynszpan kritisch gegenüber. Die sich eröffnenden Abgründe lotet er sowohl in der Musik als auch im von ihm selbst verfassten Libretto mit Rückbezügen auf C. G. Jung und T. S. Eliot aus. Dabei eröffnet er Perspektiven auf Erfahrungen von Verfolgung, Ausgrenzung und Terror, die weit über den konkreten Gegenstand des Werkes hinausweisen. Sie verleihen dem Werk eine überzeitliche Gültigkeit und leider auch eine ganz aktuelle Dimension.
Michael Tippett hat sich für sein Oratorium in der Melodieführung von englischer mehrstimmiger Renaissancemusik inspirieren lassen, die durch ihre Kopplung mit kompositorischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts plötzlich fremd und neu klingt. In der musikalischen Form hat er sich an die barocken Vorbilder von Händels „Messias“ und J.S. Bachs Johannes- und Matthäuspassion angelehnt. An die Stelle der Choräle in den Bach‘schen Passionen hat Tippett fünf schlichte, jedoch darum umso bewegendere Spirituals gesetzt. Daneben finden sich aber auch Anklänge an Weills Dreigroschenoper und an die dramatischen Szenen im Operngenre.
Universitätsmusikdirektorin Dr. Susanne Gläß hatte das Werk von Michael Tippett zusammen mit Orchester und Chor ganz bewusst für das Abschlusskonzert des Wintersemesters 2018/19 ausgewählt, weil es am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus aufgeführt wird. Die Aufführung ist Bestandteil einer Reihe von Veranstaltungen, die die Universität Bremen zu diesem Anlass anbietet. Mehr zu den weiteren Veranstaltungen finden Sie ausführlicher in dieser Pressemitteilung: https://www.uni-bremen.de/de/universitaet/presse/aktuelle-meldungen/detailansicht/news/detail/News/veranstaltungen-zum-tag-des-gedenkens/
Veranstaltungsort und Karten:
Sonntag, 27. Januar 2019, 19 Uhr, Bremer Dom: Michael Tippett: „A Child of Our Time“ – Aufführung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus; Anja Petersen / Sopran, Kerstin Stöcker / Alt, Clemens Löschmann / Tenor, Martin Kronthaler / Bass, Orchester & Chor der Universität Bremen, Leitung: Dr. Susanne Gläß.
Die Eintrittskarten kosten im Vorverkauf 18 Euro, ermäßigt 9 Euro; an der Abendkasse 20 Euro, ermäßigt 10 Euro. Der Vorverkauf findet im Kapitel 8/Dom und über Nordwest-Ticket statt sowie in der Uni-Mensa vom 23. bis 25. Januar. Die Plätze sind nicht nummeriert, die Abendkasse im Dom öffnet am Konzerttag um 18.15 Uhr.
Video zu Proben und Hintergrund
Ein Video von den Proben von Chor und Orchester mit weiteren Informationen zum Hintergrund von „A Child of Our Time“ finden Sie hier: https://youtu.be/jzpSoGA7Mck
Weitere Informationen:
www.uni-bremen.de/orchester-chor
www.uni-bremen.de
Fragen beantwortet:
Dr. Susanne Gläß
Universitätsmusikdirektorin
Universität Bremen
Tel.: +49 421 218 60109
E-Mail: sglaessprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de