„Wir wollen eine Transferkultur etablieren“
Professor Andreas Breiter ist Konrektor für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer der Universität Bremen. Im Interview erläutert er, wie die Universität die Stadt und die Region bereichert und welche Bedeutung das Thema Transfer dabei hat. Schnell wird klar, dass die Kooperation mit der Wirtschaft nur ein Aspekt ist. Vielmehr ist es ein wechselseitiger Prozess, der alle Wissenschaftsdisziplinen und die Zivilgesellschaft betrifft.
Professor Breiter, wie bereichert die Universität Bremen die Stadt und die Region?
Andreas Breiter: Die Universität Bremen ist in vielfältiger Hinsicht eine wichtige Akteurin in der Region. Sie ist die größte Arbeitgeberin im Wissenschaftsbereich und eine internationale Ausbildungsstätte für hoch qualifizierte Menschen. Darüber hinaus ist die Universität nicht nur das Lehrkräfte-Ausbildungszentrum für bremische Schulen. Viele Absolventinnen und Absolventen sind in der Region in zahlreichen Bereichen beschäftigt. Unsere Forschenden sind wichtige Beraterinnen und Berater in Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Bildung oder Kultur – auch überregional. Studierende bereichern das kulturelle Leben der Stadt und engagieren sich in vielfältiger Weise.
Unser Campus ist mit dem Technologiepark Bremen ein attraktiver Ort, um Kooperation und Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu ermöglichen.
In der Wirtschaft fällt immer wieder der Begriff Transfer. Was versteht man darunter genau?
Das muss man zunächst historisch erklären, da das Wort bildungssprachlich eine Weitergabe von A nach B bedeutet. Das allein ist nicht mehr zeitgemäß. Heutzutage verstehen wir Transfer an der Universität als einen wechselseitigen und kooperativen Prozess zwischen Gesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft. Es findet ein ständiger Austausch statt. Dieser kann zum Beispiel durch interaktive Formate wie Diskussionsveranstaltungen erfolgen. Zudem gibt es sogenannte Citizen-Science-Projekte, bei denen Bürgerinnen und Bürger Teile von Forschungsprojekten sind. Sie zählen beispielsweise Insekten oder sammeln Daten an Messstationen. Auch ein Metallbauer oder ein Chemieunternehmen kann durch eine interessante Frage die Grundlagenforschung vorantreiben. Umgekehrt profitieren Wirtschaft und Gesellschaft von Ergebnissen aus der Forschung – über Kooperationsprojekte oder Ausgründungen.
Erfolgt Transfer überwiegend im technischen Bereich?
Keineswegs, Transfer erfolgt auch stark in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Ein Beispiel ist das mehrfach ausgezeichnete Projekt „Aus den Akten auf die Bühne“, das die Geschichtswissenschaften seit über zehn Jahren gemeinsam mit der bremer shakespeare company erfolgreich in der Stadt umsetzen. Viele Angehörige unserer Universität sind sehr engagiert. Ihre Transferprojekte wollen wir sichtbarer machen – mithilfe spezieller Förderformate und durch eine stärkere Webpräsenz im Sinne eines Schaufensters.
Die Universität hat eine Transferstrategie in Arbeit. Was verbirgt sich dahinter?
Zunächst haben wir erfasst, was es an der Universität an Transferaktivitäten gibt. Die Vielzahl und Vielfalt ist beeindruckend. Danach haben externe Fachleute begutachtet, wie wir Transfer leben und organisieren. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Daraufhin haben wir angefangen, eine Transferstrategie mit einem breiten Team aus den Fachgebieten zu erarbeiten und sukzessive mit vielen Beteiligten zu diskutieren.
Mit welchem Ziel?
Wir wollen eine Transferkultur an unserer Universität etablieren – also ein Selbstverständnis, dass Transfer ein Teil unserer Arbeit in Forschung und Lehre ist. Das ist das Herzstück unserer Transferstrategie. In Bremen sind Formate wie Science goes Public und Science Slam beliebt. Hier halten Forschende Vorträge in Kneipen. Wird die Wissenschaft dadurch banalisiert? Das glaube ich nicht. Ich sollte in der Kneipe genauso gut meine komplexe Forschungsfrage erklären können, wie ich es in einem Auditorium machen würde. Auch wenn das sicherlich eine Herausforderung für einzelne Forschende ist. Dafür braucht es zur Unterstützung eine professionelle Wissenschaftskommunikation. Letztlich entsteht guter Transfer aus herausragender Wissenschaft und forschungsorientierter Lehre. Das ist die Basis. Die Ergebnisse sollten wir breitflächig kommunizieren – ob auf Tagungen oder in der Kneipe.