Wenn Maria Kristalova von ihrer wissenschaftlichen Arbeit erzählt, dann gerät sie ins Schwärmen. Die Doktorandin von Professorin Jutta Günther im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft ist voller Vorfreude. Nicht nur auf den Abschluss ihrer Dissertation, sondern weil ein großes Ereignis für die junge Frau näher rückt. Sie ist von einer Jury als eine von 350 Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern aus 66 Ländern für das diesjährige Nobelpreisträgertreffen ausgewählt worden. In Lindau am Bodensee werden 18 Nobel Laureaten der Ökonomie mit ausgewählten Nachwuchstalenten in ihrem Fach zusammenkommen.
„Echte Stars“
„Es ist eine große Chance für mich“, sagt Maria Kristalova und gesteht „Für mich sind diese Nobelpreisträger echte Stars.“ So hätten Freundinnen bei Facebook Fotos von Celebrities eingestellt – Stars und Sternchen. Maria Kristalova hat mit ein paar preisgekrönten Ökonomen nachgezogen und wurde prompt gefragt „was sind das für alte Männer?“
Einstieg über Praktikum
Sie hat einen ungewöhnlichen Weg in wissenschaftliche Spitzenleistungen hinter sich. Sie ist in Belgorod, einer russischen Stadt an der ukrainischen Grenze, 700 Kilometer südlich von Moskau, aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. An einer Außenstelle der Moskauer Universität für Statistik, Informatik und Ökonomie hat sie in ihrer Heimatstadt ihren wirtschaftswissenschaftlichen Abschluss gemacht. „Ich wollte meinen Master auf alle Fälle in Europa anschließen“, sagt die junge Frau. Beim Surfen im Netz sei ihr aufgefallen, dass Bremen ein exportstarkes deutsches Bundesland ist. Also erschien ihr die Hansestadt als der attraktivste Ort zur Verwirklichung ihrer Ziele. „Ich bin nicht den üblichen Weg gegangen, sondern habe mich für ein Praktikum beworben.“ Das habe bei BEGO, der Bremer Goldschlägerei, einem führenden Unternehmen in der Medizintechnik, auch geklappt. Maria Kristalova berichtet in den höchsten Tönen von der Firma. „Sie haben mir den Anfang erleichtert und sind vorbildlich sozial eingestellt.“ Da die Firmenbüros auf dem Campus gleich neben dem Gebäude der Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen liegen, war sie nur noch einen Sprung von ihrer Masterzulassung entfernt. Sie wurde angenommen. BEGO habe ihr sogar die Möglichkeit geboten, neben ihrem Studium dort weiterzuarbeiten, um ihren Unterhalt zu verdienen.
Thema: Russland-Sanktionen
Als die junge Russin, die fließend Deutsch und Englisch spricht, von ihrer Professorin gefragt wurde, ob sie promovieren möchte, war sie begeistert. „Das war ein attraktives Angebot“. Zuvor hatte sie eine Auszeichnung für ihre Studienleistungen erhalten. Seither forscht sie im Bereich der Arbeitsgruppe Innovationsökonomik und Strukturwandel und unterrichtet Studierende. Mathematik, Statistik, Modellrechnung – das sind anregende Dinge für sie, Sachen, die einfach Spaß machen. Ihre Dissertation schreibt Maria Kristalova über die Auswirkungen der Russland-Sanktionen von 2014 bis 2016 auf die 27 EU- Länder mit speziellem Fokus auf Deutschland. Das Thema ist komplex, weil sie auch die veränderten Handelsbeziehungen der Länder untereinander beleuchtet. Spürt sie beim Gesprächspartner Interesse, hat die junge Wissenschaftlerin sofort ihr Notebook zur Hand und klickt sich erläuternd durch anschauliche Grafiken.
Offenheit und Teamgeist an der Uni
An der Universität Bremen fühlt sich die junge Volkswirtschaftlerin zu Hause. „Ich schätze hier die Offenheit, den Teamgeist und besonders die Diversität“, unterstreicht sie. „Es ist schön, an einer exzellenten Uni zu forschen.“ In ihrem Fachbereich mag sie das Arbeitsklima, engagiert sich als Frauenbeauftragte in einem Team und liebt ganz besonders die Bibliothek. „Da arbeiten aufmerksame Leute.“
"Ich kann es nicht fassen“
"Ich kann es noch gar nicht fassen, dabei zu sein“, sagt sie über das Treffen in Lindau, „es ist für mich eine große Ehre, dass ich die Universität Bremen aktiv vertreten darf.“ Für die 27-Jährige ist es wie der Vortag vor dem Geburtstag. Denn genau in dieser aufregenden Zeit am Bodensee – wird sie 28 Jahre alt.