„Bremen mitgestalten“
Ob in der politischen Bildung oder der Politikberatung im Zuge der Digitalisierung: Politikwissenschaftler Professor Andreas Klee und Informatikerin Dr. Juliane Jarke gehen raus aus der Universität, um von Bremer Bürgerinnen und Bürgern direkt zu erfahren, was sie bewegt und welche Vorstellungen sie vom gesellschaftlichen Miteinander haben. Ihr Ziel: Menschen zu befähigen, das Zusammenleben in Bremen positiv zu verändern.
„Wenn wir gesellschaftliche Phänomene erforschen, müssen wir mit den Leuten sprechen: Was bewegt sie, wie stellen sie sich gesellschaftliche Entwicklungen vor, was drängt sie in politische Entscheidungen?“, so Andreas Klee. Er ist Direktor des Zentrums für Arbeit und Politik (zap), wo Transfer zum Selbstverständnis gehört. Die Forschungsprozesse sind so gestaltet, dass nicht über Menschen geforscht wird, sondern mit ihnen – Wissenschaft auf Augenhöhe.
Erfahrungen mit der Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern macht Klee regelmäßig mit verschiedenen Formaten: In der „Demokratiewerkstatt“ entwickeln er und sein Team mit Jugendlichen Konzepte zum gesellschaftlichen Zusammenleben. Im Projekt „Bremer Leben“ erstellen Berufsschülerinnen und -schüler Arbeitsbiografien unter anderem von Bremer Hafenarbeitern. Besonders lehrreich war für den Wissenschaftler ein Diskussionsformat mit der Bremer Tafel in Gröpelingen. Denn hier hat die Kommunikation auch mal nicht funktioniert. „Ich bin im wörtlichen Sinne nicht verstanden worden. Dadurch habe ich gemerkt, wie leicht es ist, an Leuten vorbeizureden“, so Klee. Diese Erkenntnis ist aus seiner Sicht sehr wichtig für eine erfolgreiche Transferarbeit. „Es ist eben nicht leicht, deutlich zu machen: Obwohl wir in völlig anderen Lebenswelten unterwegs sind, haben wir uns etwas zu sagen, das für uns beide wichtig sein könnte.“
Mit Menschen reden, nicht an ihnen vorbei
Auch auf Bundesebene sind die Bremer Sozial- und Politikwissenschaften engagiert und gefragt: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert den Aufbau eines Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt (IgZ). Am Standort Bremen wird unter der Leitung vom SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität die Mittelschicht als zentrale Gruppe der Gesellschaft erforscht. Auch das zap beteiligt sich und hat dadurch die Möglichkeit, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in einem großen nationalen Forschungsverbund zu erforschen.
„Das IgZ hat den Auftrag, konkrete, anwendbare Ergebnisse zu erarbeiten. Dazu gehört es, sowohl Empfehlungen für die Politik auszusprechen als auch neue Ideen für die Arbeit von politischen Bildungseinrichtungen zu finden“, erklärt Klee. „In Bremen schaffen wir dazu an zentralen Orten Begegnungsstellen, wo Bürgerinnen und Bürger miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen. Auf diese Weise erzeugen sie Wissen für die Forschung, das evaluiert und als politische Handlungsempfehlungen wieder in die Gesellschaft zurückgegeben wird“.
Technologie mit zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern entwickeln
Auch die Informatikerin Juliane Jarke vom Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) an der Universität arbeitet gemeinsam mit Bremer Bürgerinnen und Bürgern. „Es ist wichtig, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen“, sagt sie. Technologie müsse nicht nur für, sondern mit zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern entwickelt werden. Dieses Verständnis vermittelt die Informatikerin auch in der Lehre durch Veranstaltungen zur partizipativen Softwaregestaltung. „Technik ist nicht neutral und objektiv, sondern von Menschen für Menschen gemacht. Dafür ist es am besten, diese auch in die Technologieentwicklung einzubinden. Schon unsere Studierenden versuchen wir dafür zu sensibilisieren.“
Im Projekt „Mobile Age“ haben Jarke und ihr Team zum Beispiel gemeinsam mit älteren Menschen aus Hemelingen und Osterholz die digitalen Stadtführer „Schöne Spaziergänge“ und „Schöne Orte“ entwickelt. Diese stehen nun online für alle zur Verfügung. Das Besondere: Die Seniorinnen und Senioren bringen sich nicht erst beim Testen der Software, sondern bereits in der Planung und Entwicklung ein. Denn entscheidend bei einer App ist nicht nur die leichte Bedienbarkeit, sondern auch die Gebrauchstauglichkeit. „Eine App kann sehr nutzerfreundlich sein, aber wenn sie meinen Alltag nicht bereichert, dann werde ich sie nicht nutzen“, erläutert Jarke.
Die Informatikerin sieht ihre Rolle als Wissenschaftlerin darin, Forschungsergebnisse für Stadt und Menschen nutzbar zu machen: „Wir kommen in der ganzen Welt herum und sehen Dinge, die auch für Bremen toll wären. Über Forschungsprojekte haben wir die Möglichkeit, Bremen weiterzuentwickeln.“ Auch privat fühlt sich Jarke mit Bremen stark verbunden. Sie empfindet die Stadt als kreativen Ort, an dem viele Menschen leben, die Lust haben, zu gestalten, und sie ist glücklich, durch ihre Arbeit zur Stadtentwicklung beitragen zu können.