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Auswandern und zurückkehren: Kaufmannsfamilien zwischen Bremen und Übersee

Bremer Dissertation untersucht die Lebenswelten von zehn Kaufmannsfamilien zwischen 1860 bis 1930

Die Zeit der deutschen Modernisierung war eine Periode des bürgerlichen Aufstiegs. Kaufmannsfamilien aus Bremen waren flexibel und erfolgreich. Auswanderung gehörte in den Jahren von 1860 – 1930 zur Erfahrung dieser Familien. Sie ließen sich zum Beispiel in Indien, Brasilien, Australien, Westafrika, China, Colombo und Guatemala nieder, um in einigen Jahren im Wohlstand zurückzukehren. Die Kaufleute verstanden sich in Übersee vielfach als europäische Zivilisationsbringer – und dokumentierten ihre Pioniertaten in ihren Autobiografien. Die mitreisenden Ehefrauen kamen nicht vor; dabei waren sie wesentlich am persönlichen Erfolg des Kaufmanns beteiligt. Die Lebenswelten von zehn Kaufmannsfamilien aus Bremen nahm die Historikerin Wiebke Hoffmann von der Universität Bremen in ihrer Dissertation „Auswandern und Zurückkehren. Kaufmannsfamilien zwischen Bremen und Übersee“ (erschienen im Waxmann-Verlag, Münster) genauer unter die Lupe.

Familie als Fokus ermöglicht eine spezielle Form der historischen Bürgertumsforschung, in der die Situation der Hausfrau, der weiblichen Familienmitglieder und der Kinder hervortreten. Für ihre Untersuchung wertete Wiebke Hoffmann Privatkorrespondenzen, Familienpapiere, Tagebücher und Fotos aus Privatbesitz aus und verknüpfte sie mit Quellen aus dem Bremer Staatsarchiv. Die Bearbeitung der umfangreichen Quellen gleicht einer ethnologischen Feldforschung, mit der sich familiäre Binnenstrukturen, Geschlechterrollen und indigene Kulturen erfassen lassen.

„Die ganze Welt für mich“

Bürgerliche Frauen in Bremen und Übersee führten, so ein Ergebnis der Studie von Wiebke Hoffmann, keineswegs ein Dasein im Müßiggang. Ihre Haushaltsführung mit zahlreichen weiblichen und männlichen Helfern glich dem Betrieb eines Kaufmanns. Frauen erledigten im wöchentlichen Rhythmus die Privatkorrespondenzen. Diskutiert wurden männliche und weibliche Arbeit sowie Frauenthemen wie Schwangerschaft, Geburt, Ernährung und Erziehung der Kinder in einem Familienleben zwischen Bremen und Übersee – und die Konsequenzen der Jahre andauernden Migration auf das verbleibende Leben in Bremen.

Auch für Frauen bedeutete die Auswanderung Aufbruch. Eine Zwanzigjährige äußerte sich kurz vor ihrer Reise nach Togo mit Emphase: „Die ganze Welt ist jetzt für mich gemacht. Alles, alles für mich“. Demnach sah diese Frau als Verlobte eines Überseekaufmanns mit großer Erwartung und Spannung ihre Zukunft fernab von Bremen vor sich. Im weiblichen Lebenslauf waren in der Regel keine außergewöhnlichen Ereignisse oder gar Abenteuer zu erhoffen. Bis zum Ersten Weltkrieg hatten nur wenige Frauen aus dem Bremer Bürgertum berufliche Qualifikationen erwerben können, sondern befanden sich im Wartestand auf eine spätere Heirat. Der Aufbruch in die Fremde bedeutete eine interessante Zukunftsperspektive.

Drei Generationen einer prominenten Bremer Kaufmannsfamilie

Ein Schwerpunkt des Buches wendet sich drei Generationen einer prominenten Bremer Familie zu, deren männliche Mitglieder Überseekaufleute waren und die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedene Kontinente aufbrachen. Der Blick richtet sich dabei auf augenfällige Abschnitte und Zäsuren der deutschen und bremischen Geschichte. Die Jahrzehnte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg ermöglichten trotz zwischenzeitlicher Perioden wirtschaftlicher Depressionen den bürgerlichen Aufstieg. Das änderte sich mit dem „verlorenen“ Ersten Weltkrieg. Neue wirtschaftliche und politische Entwicklungen der 1920er Jahre bewirkten einschneidende individuelle Konsequenzen.

Wetere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Sozialwissenschaften
Institut für Geschichtswissenschaft
Dr. phil. Wiebke Hoffmann

Tel. 0421-701769
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