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Bernstein Preis 2010: 1,25 Millionen Euro für Bremer Hirnforschung

Udo Ernst, Wissenschaftler an der Universität Bremen, erhält hochdotierten Forschungspreis für die Erforschung des Sehsystems

Nr. 272 / 27. September 2010 SC

Der Bremer Wissenschaftler Udo Ernst wurde für sein hervorragendes Forschungskonzept und seine wissenschaftliche Leistung von einer internationalen Jury für den Bernstein Preis 2010 ausgewählt. Zum fünften Mal vergibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den Bernstein Preis für Computational Neuroscience. Dieser ist mit 1,25 Millionen Euro einer der höchstdotierten Forschungspreise für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland. Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, hat den Preis am 27. September im Rahmen der Bernstein Conference 2010 in Berlin übergeben. Die Konferenz ist die Jahrestagung des bundesweiten Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience. Ziel des Bernstein Preises ist, Nachwuchswissenschaftlern auf dem Gebiet der Computational Neuroscience optimale Forschungsbedingungen zu bieten, so dass sie sich mit einer eigenen Arbeitsgruppe an einer deutsche Forschungseinrichtung für Führungspositionen qualifizieren können.

Udo Ernst befasst sich mit der Frage, wie das Gehirn visuelle Informationen verarbeitet. Damit wir sehen können, repräsentiert das Gehirn seine visuelle Umwelt in Form von elektrischer Aktivität der Nervenzellen. Dabei erschafft das Gehirn allerdings nicht ein genaues Abbild seiner Umwelt, viel mehr ist die Repräsentation auf den jeweiligen Kontext optimiert. Wenn wir zum Beispiel etwas Bestimmtes suchen, blenden wir andere Dinge aus. Auch unser Vorwissen greift in die Bildverarbeitung ein – wir erkennen Formen, die uns bekannt sind, sehr viel schneller und ergänzen dabei unvollständige Konturen. Wie aber greifen Faktoren wie Wissen und Kontext in die Bildverarbeitung ein? Dies wird Udo Ernst im Rahmen des Bernstein Preises mithilfe von theoretischen Modellen und Experimenten untersuchen.

Ernst geht von der Hypothese aus, dass Faktoren wie Intentionen oder Bildkontext die neuronale Aktivität auf allen Stufen der Bildverarbeitung beeinflussen. Wie kann ein solcher Einfluss aussehen? Ist er ein kontinuierliches neuronales Signal, oder reicht ein kurzer Impuls, um das Netzwerk von einem Zustand in einen anderen zu bewegen und somit gezielt eine bestimmte Verarbeitungsfunktion auszuwählen? Welche Strategien und Mechanismen verwendet das Gehirn, um die visuelle Informationsverarbeitung blitzschnell an eine neue Situation in unserer Umwelt oder an eine andere Verhaltensaufgabe anzupassen? Diese Fragen wird Ernst mithilfe von computergestützten Modellen neuronaler Netzwerke analysieren. Die theoretischen Arbeiten werden dabei durch Experimente ergänzt, die in Kooperation mit verschiedenen Arbeitsgruppen am Zentrum für Kognitionswissenschaften in Bremen durchgeführt werden: In psychophysischen Versuchen mit menschlichen Probanden wird Udo Ernst untersuchen, wie sich die Verarbeitung von Bildinformation je nach Aufgabenstellung unterscheidet. In Experimenten an Makaken, in denen die Tiere ähnliche Aufgaben zu lösen haben, werden die Aktivitäten ihrer Nervenzellen im Gehirn gemessen und analysiert. Ergebnisse aus diesen Studien werden in die Computermodelle einbezogen. Ein besseres Verständnis der Bildverarbeitung wird bei der Entwicklung computergestützter Bildanalyse und visueller Neuroprothesen eine Anwendung finden.

Udo Ernst hat in Frankfurt Physik studiert und in Frankfurt und Göttingen promoviert. Schon zu seiner Promotion beschäftige er sich mit dem visuellen System des Gehirns. Im Jahre 2000 ging Ernst an das Institut für Theoretische Physik an die Universität Bremen und im Jahre 2006 an die École Normale Supérieure in Paris. Seit 2007 ist er wieder in Bremen und als Teilprojektleiter der „Bernstein Gruppe Bremen" bereits in das Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience integriert.

Der Bernstein Preis ist Teil des „Bernstein Netzwerkes Computational Neuroscience", das im Jahre 2004 vom BMBF eingerichtet und durch verschiedene aufeinander aufbauende Fördermaßnahmen weiterentwickelt wird. Das Bernstein Netzwerk ist mit ca. 200 Arbeitsgruppen an 24 verschiedenen Standorten inzwischen einer der größten Forschungsverbünde im Bereich der Computational Neuroscience weltweit und wird vom BMBF mit einem Gesamtvolumen von ca. 150 Millionen Euro unterstützt. Computational Neuroscience ist ein noch recht junges Forschungsgebiet, das sich vor allem durch seinen interdisziplinären Forschungsansatz auszeichnet. Hier arbeiten experimentelle Neurowissenschaftler und Theoretiker eng zusammen, um die Funktionsprinzipien des Gehirns besser zu verstehen.
Weitere Informationen:

Universität Bremen
Zentrum für Kognitionswissenschaften
Dr. Udo Ernst
Institut für Theoretische Physik
AG Neurophysik
E-Mail: udoprotect me ?!neuro.uni-bremenprotect me ?!.de
Tel.: (0421) 218 62002