Nr. 138 / 13. Mai 2015 KUB
Tunesien ist auf dem Weg in die Zukunft. Unter den Ländern, in denen der „Arabische Frühling“ für tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen sorgte, gilt das Mittelmeer-Land momentan als das stabilste. Eine der größten aktuellen Herausforderungen für das Land ist es, international konkurrenzfähige Wirtschafts- und Wissenschaftsstrukturen aufzubauen. So werden in Tunesien beispielsweise dringend Ingenieure benötigt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken. Um dabei voranzukommen, helfen auch Experten aus Bremen und Hamburg, die gemeinsam in der Forschungsgruppe „Afrikanische Entwicklungsperspektiven“ an der Universität Bremen arbeiten. Sie empfangen vom 17. bis 24. Mai 2015 in der Hansestadt eine Gruppe von Professorinnen und Professoren unter Leitung des Präsidenten der tunesischen Wissenschaftsvereinigung, Professor Jelel Ezzine.
Bremer Expertise in Tunis sehr gefragt
Ezzine ist wie die meisten anderen Mitglieder der Delegation Hochschullehrer an der renommierten Ecole Nationale des Ingenieurs de Tunis (ENIT). Hier wurde 2014 das neue Studienprogramm „Ingenieurwesen und Technologiepolitik“ („Engineering and Technology Policy“) gestartet, an dessen Umsetzung die Ökonomie-Professoren Karl Wohlmuth (Uni Bremen), Hans-Heinrich Bass (Hochschule Bremen), Achim Gutowski (International Business School Hamburg) und die Kulturwissenschaftlerin Cordula Weisskoeppel (Uni Bremen) mitwirken. Die Mitglieder der Forschungsgruppe „Afrikanische Entwicklungsperspektiven“ an der Universität Bremen waren vor einigen Monaten bereits ihrerseits in Tunis zu Gast und haben einen Bericht über ihre Eindrücke verfasst. Ihre Erfahrungen im Bereich des Aufbaus nationaler Innovationssysteme in afrikanischen Ländern und in anderen Entwicklungs- und Schwellenländern sind dort sehr gefragt.
„Wir unterstützen die tunesischen Wissenschaftler, weil Tunesien das einzige arabische Land ist, in dem politische Reformen nach 2011 erfolgreich durchgesetzt wurden und in dem jetzt auch die dringend notwendigen ökonomischen und sozialen Reformen angegangen werden“, sagt Professor Karl Wohlmuth. „Wir sind sicher: Nur durch die starke Vernetzung von Wissenschaft, Forschung, Universitäten und beruflicher Bildung einerseits und den Unternehmen, der staatlichen Verwaltung, der Zivilgesellschaft und den Banken andererseits kann ein Reformerfolg erreicht werden.“
Wirtschaft und Wissenschaft sind in Tunesien nicht verzahnt
Die Delegation aus Tunis wird sich in Bremen umfassend darüber informieren, wie Wirtschaft und Wissenschaft erfolgreich miteinander verzahnt werden können. Wie plant man in Deutschland gemeinsam mit der Industrie innovative Projekte und führt sie zur Marktreife? In Tunesien sind Universitäten und Unternehmen noch weitgehend voneinander abgeschottet. Auch die berufliche Bildung führt ein „Inseldasein“. Der Systemzusammenhang fehlt völlig.
Zum Programm in Bremen gehören neben dem intensiven Austausch mit Wissenschaftsexperten aus den beiden Hansestädten auch Besuche von Universität, Hochschule und Forschungsinstituten, Handels- und Handwerkskammer, Wirtschaftsförderung Bremen und Bremer Aufbau-Bank sowie Airbus. Die Besucher erhalten einen tiefen Einblick, wie die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft funktioniert und wie Standortmarketing, Wirtschaftsförderung, Technologietransfer, Existenzgründung und vieles mehr in Bremen funktionieren. Für einen Online-Kurs über Innovationspolitik werden Teile des Besuchsprogramms aufgezeichnet.
Zum Hintergrund: Das Studienprogramm „Ingenieurwesen und Technologiepolitik“
Ausgangspunkt für das neue Studienangebot war die Erkenntnis, dass gut ausgebildete Ingenieure für die weltwirtschaftliche Integration der tunesischen Wirtschaft in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie, Automobil- und Flugzeugteile, Elektrotechnik, Chemie, Pharmazie und Gesundheit sowie Landwirtschaft und Agroindustrien dringend benötigt werden. Für das Curriculum des Studienprogramms bedeutet dies, dass die Studierenden befähigt werden müssen, Schwachstellen im nationalen, regionalen und auch im sektoralen Innovationsystem Tunesiens zu identifizieren und Vorschläge für die Verbesserung der Integration von Wissenschaft, Technologie und Innovation in die globalen Wertschöpfungsketten zu machen – für Unternehmen, Politik und Bildungssystem. Bisher ist das System der staatlichen Ausbildung in Tunesien weitgehend von den Unternehmen und von den beruflichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten abgeschottet. Auch dies ist eine große Hürde für ausländische Investoren in Tunesien. Das neue Studienprogramm soll dieses Defizit durch Lehrangebote zu Themen der Innovationprozesse und der Innovationspolitik und durch Lehrprojekte und Praxisphasen gezielt beheben.
Achtung Redaktionen: ENIT-Professor Jelel Ezzine steht während seines Aufenthaltes für Pressegespräche zur Lage in Tunesien und zur Situation der Universitäten sowie der Forschung und Entwicklung im Lande zur Verfügung. Professor Ezzine spricht englisch und französisch; der Bremer Organisator Professor Karl Wohlmuth ist bei der Übersetzung behilflich.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Wirtschaftswissenschaft
Forschungsgruppe Afrikanische Entwicklungsperspektiven
Prof.Dr. Karl Wohlmuth
E-Mail: wohlmuthprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
Telefon: 218-66517