Nr. 277 / 26.Oktober 2015 SC
Homöopathie gehört zu den beliebtesten Behandlungsmethoden der Alternativmedizin. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass es keine methodisch anerkannten Belege für den Nutzen der Homöopathie gibt. Der Bremer Gesundheitswissenschaftler Norbert Schmacke vom Institut für Public Health und Pflegeforschung im Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften der Universität Bremen hat in einer Literaturstudie sein Augenmerk auf einen anderen Aspekt gelegt: nämlich dass die Homöopathie in Deutschland als besonderes Therapieverfahren vom Gesetzgeber geschützt ist. Die Frage, ob die politisch gewollte Doppelgleisigkeit in der Bewertung der Homöopathie und der Schulmedizin aus ethischen Gründen gerechtfertigt werden kann, beantwortet er mit Nein – und sieht den Gesetzgeber in der Pflicht. Denn hier werde, so Schmacke, „mit zweierlei Maß gemessen“.
Der Bremer Gesundheitswissenschaftler kritisiert, dass der Gesetzgeber die Homöopathie für die Behandlung von Erkrankungen bereits dann legitimiert, wenn ihre Vertreter dies für ausreichend begründet halten (‚Binnenkonsens‘) und eine entsprechende Nachfrage unter Kranken (‚Akzeptanz‘) besteht. „Derart unterschiedliche Maßstäbe im Vergleich zur so genannten Schulmedizin sind unter dem Gesichtspunkt des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ethisch nicht verantwortbar“, sagt Schmacke. „Der Glaube an die Wirkung von Globuli reicht nicht“.
Er sieht im Falle der Homöopathie ethische Grundprinzipien der Medizin auch in einem anderen Aspekt verletzt. Denn in der Homöopathie werden die Kranken nicht darüber aufgeklärt, dass nach vorliegender wissenschaftlicher Evidenz der erlebte Nutzen der Homöopathie ausschließlich auf Placeboeffekte zurückgeführt werden kann. Der Einsatz von Placebos unter falschen Heilversprechen – die Homöopathen sind gerade von der pharmakologischen Wirkung der kein einziges Molekül enthaltenden so genannten Hochpotenzen überzeugt – sei illegitim.
Schmacke zeigt in seiner Analyse, dass Homöopathen sogar so weit gehen, alleinige Heilungserfolge durch Homöopathika auch bei gravierenden Erkrankungsbildern wie Krebs und Schlaganfall zu versprechen. Nur der Gesetzgeber könne, fordert Schmacke, diese überkommene Tradition der Sonderbehandlung besonderer Therapieverfahren beenden. Die Beliebtheit der Homöopathie sei kein Gegenargument. Allerdings appelliert der Bremer Gesundheitsforscher an die Schulmedizin, sich stärker als bisher für subjektive Krankheitstheorien und Bewältigungsstrategien zu interessieren.
Die Studie erscheint Anfang November 2015 im Suhrkamp-Verlag: Schmacke, Norbert (Hg), Der Glaube an die Globuli - Die Verheißungen der Homöopathie, suhrkamp 2015.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften
Institut für Public Health und Pflegeforschung
Prof.Dr. Norbert Schmacke
E-Mail: schmackeprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de oder norbert.schmackeprotect me ?!nord-comprotect me ?!.net