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mikromal: Kinder machen dicke Drähte dünn, Wissenschaftler reden vom „Mikrokaltumformen“

Bremer Forscher ergreifen die Initiative und erklären Wissenschaft mal anders / DFG-Projekt zur Wissenschaftskommunikation erfolgreich gestartet / noch weitere Schulbeteiligungen möglich

Wie erkläre ich es so, dass alle es verstehen können? Schon viele Wissenschaftler haben sich mit dieser Aufgabe gequält – und danach oft zur allgemeinen Verwirrung beigetragen. Denn Forschen ist eine Sache, eine ganz andere ist es, die oft sehr komplizierten Inhalte auch kurz und allgemeinverständlich darzustellen. Gerade das haben sich Bremer Wissenschaftler zum Ziel gesetzt und werden dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Mit der Initiative „mikromal“ wollen sie Maßstäbe setzen, und schon die erste Aktion lässt hoffen: In Bremerhaven konnten sie eine Grundschulklasse für das „Mikrokaltumformen“ begeistern.

Anfang 2007 hat die DFG an der Universität Bremen den Sonderforschungsbereich „Mikrokaltumformen – Prozesse, Charakterisierung, Optimierung“ (SFB 747) eingerichtet. Wer nicht gerade vom Fach ist, kann schon mit dem Namen dieses wissenschaftlichen Großprojektes nichts anfangen. Dabei war es dann am Ende ein unverhofft Leichtes, sogar Sechsjährigen ein paar der Inhalte aus dem SFB zu vermitteln und sie zu eigenen „Forschungen“ zu motivieren. „Dieser erfolgreiche Auftakt macht Mut“, sagt Maya Schulte vom SFB. Sie koordiniert die Initiative „mikromal“. Dafür stehen dem SFB bis 2010 nun zusätzlich 160.000 Euro zur Verfügung.

„Es sollen Zielgruppen über die Fachwelt hinaus angesprochen werden und auf diese Weise die Untersuchungsgegenstände, Arbeitsweisen und Ergebnisse der Forschungsverbünde einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, heißt es in den DFG-Vorgaben zu dem 2006 geschaffenen SFB-Fördertopf. Ziel ist es einerseits, die Forscher aktiv in die Öffentlichkeitsarbeit einzubinden und ihnen neue Formen der Wissenschaftskommunikation näher zu bringen, andererseits will sie einen öffentlichen Dialog mit der Wissenschaft anstoßen. „Und das gelingt uns offensichtlich“, freut sich Schulte. Nachdem im Frühjahr 2008 die Förderzusage aus Bonn gekommen war, hat sie mit den Vorbereitungen des umfangreichen „mikromal“-Aktionsprogramms begonnen, und im Herbst gab es dann mit einem Schulprojekt den ersten öffentlichen Auftritt: in einer jahrgangsübergreifenden Klasse in der Grundschule "Marktschule" in Bremerhaven.

Auftakt in Brennpunkt-Grundschule – noch Möglichkeiten für weitere Schulen

„Mit Herzklopfen und wahnsinnig gut vorbereitet“ stand Eric Moumi im Dezember erstmals vor den 6- bis 10-Jährigen. Tagelang hatte er sich vorher den Kopf zerbrochen. Der Wissenschaftler forscht im Fachgebiet Fertigungseinrichtungen von Professor Dr.-Ing. Bernd Kuhfuß am Uni-Fachbereich Produktionstechnik. In seinen Arbeiten für den SFB beschäftigt Moumi sich unter anderem mit der Entwicklung einer „Mikrorundknetmaschine“. Das wollte er den Kindern erklären, und danach sollten sie selbst eine solche Maschine entwerfen. Moumi, selbst Vater von zwei kleinen Jungs, war unsicher, obwohl er viele Ideen gesammelt und auch reichlich Anschauungsmaterial dabei hatte. Hilfreich war dann der Tipp der Klassenlehrerin: „Gar nicht viel erklären und die Kinder einfach mal machen lassen“, meinte Yvonne Hoffmann. „Sie werden überrascht sein!“, sagte die erfahrene Pädagogin noch und hatte recht.

Moumi erzählte ein wenig von seiner Arbeit an der Uni und stellte viele Fragen: Was ist klein? Was ist aus Metall? Wofür braucht man kleine Drähte? Wie könnte man kleine Drähte herstellen? Schon sprudelten die Kinder nur so vor Ideen und zeichneten Maschinen, mit denen sich dicke Drähte dünn machen lassen – ohne vorherige lange Erklärungen zu Produktionsmethoden oder Fertigungseinrichtungen. „Es kam auch die Idee, einfach auf dem Draht herumzutrampeln“, sagt Moumi lachend. Das sei sicher auch eine Methode zum

Umformen, aber der Vorschlag sei von der Klasse selbst wieder verworfen worden. „Dann wird der Draht ja platt und ist gar nicht mehr rund!“, hieß es. „Ob Junge oder Mädchen, alle Kinder waren gleichermaßen interessiert“, berichten Hoffmann und Moumi. „Alle haben sie ein technisches Grundverständnis, haben das Problem verstanden und teilweise recht pfiffige Lösungen gefunden und gezeichnet. Der beste Vorschlag kam dann übrigens von einer Erstklässlerin“, meint Moumi.

Es folgten noch ein paar weitere Stunden in der Klasse, und dann kamen die Kinder nach Bremen, besuchten die Labore sowie die „richtige" Maschine zum Rundkneten, und sie präsentierten ihre Entwürfe vor rund einem Dutzend SFB-Wissenschaftlern. „Ohne irgendwelche Berührungsängste“, staunt Moumi noch immer. „Schade, dass so etwas noch nicht Standard an den Schulen ist“, bedauert er. Für seine Kinder würde er sich das wünschen und bei einem solchen Projekt auf jeden Fall wieder mitarbeiten.

„Was die Kinder hier in diesen wenigen Stunden gelernt haben, können wir im normalen Unterricht beim besten Willen nicht schaffen“, sagt Yvonne Hoffmann. „Wirklich alle waren begeistert und voll dabei, hoch motiviert und sind über Grenzen gegangen.“ Einer der sonst eher schwächeren Schüler habe sogar für die Beschriftung seines Bildes freiwillig ein Wörterbuch gewälzt: „Er wollte es einfach gut und richtig machen – aus eigenem Antrieb. Das habe ich bei ihm noch nie erlebt!“ Hoffmann ist nicht weniger begeistert als die Kinder. Dass sich die Uni für die erste „mikromal“-Aktion mit der „Marktschule“ ausgerechnet für eine Brennpunktschule entschieden habe, freue sie ganz besonders. Gerne würde sie ihren Unterricht häufiger auf diese Weise bereichern und bei einem Folgeprojekt wäre sie sofort wieder dabei. „Doch wir möchten auch anderen die Möglichkeit eröffnen“, erklärt Maya Schulte. „Momentan suchen wir noch nach Schulen für weitere Projekte. Bitte einfach melden!“ ruft sie auf.

„Die Forschung hat auch hier eine gesellschaftliche Verantwortung“

SFB-Sprecher Professor Dr.-Ing. Frank Vollertsen kennt das Problem, Schwieriges einfach, gut, kurz und richtig darzustellen. Ein gutes Übungsfeld hatte er daheim, als er seinen beiden inzwischen erwachsenen Söhnen immer wieder erklären musste, womit er sich beschäftigt. Aber auch vor so einigen Schulkassen und anderen Nichtfachleuten hat er schon gestanden „und dabei auch häufiger mal nach den richtigen Worten gesucht“. Vollertsen weiß auch, dass es „eine Kunst ist, die man im Ingenieur-Studium nicht unbedingt erlernt“. Er begrüßt das DFG-Engagement, dem Forscher-Nachwuchs die Bedeutung der zielgruppenorientierten Außendarstellung zu vermitteln und ihn in die praktische Öffentlichkeitsarbeit einzubinden. Die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation werde vielfach noch unterschätzt. „Wir möchten, dass die Menschen unsere Arbeit verstehen können, und wir haben auch hier eine gesellschaftliche Verantwortung“, meint Vollertsen. Auch deswegen hat er „mikromal“ initiiert.

Volle Zustimmung und Unterstützung erfährt er dabei von der Bremer Uni-Pressestelle. Deren Leiter Eberhard Scholz dazu: „Wir kämpfen hier täglich mit Fachaufsätzen und ‚übersetzen‘ sie für die Allgemeinheit. Die Forschung an der Uni ist so spannend und wichtig, und das möchten wir vermitteln und verbreiten.“ Schon in die Antragstellung für das „mikromal“-Programm war Scholz eingebunden und hat als Ideengeber dabei mitgewirkt. Er hält die Initiative für zukunftsweisend und wünscht sich mehr solcher Aktivitäten.

Der SFB „Mikrokaltumformen“ und das Teilprojekt „Mikrorundkneten“

Bessere Kleinstbauteile schneller produzieren. Das ist das wesentliche Ziel des Sonderforschungsbereiches „Mikrokaltumformen – Prozesse, Charakterisierung, Optimierung" der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Telefone, Navigations- oder Hörgeräte, Fernseher und MP3-Player – die Komponenten dieser Geräte wie zum Beispiel die winzigen Stecker im Mobiltelefon oder die Einspritzdüse im Automotor lassen sich heute zum Teil nur noch unter dem Mikroskop genau betrachten. Die Bauteile sollen stetig kleiner werden und mehr Funktionen erfüllen. Dabei sollen sie auch noch präziser arbeiten, kostengünstiger werden und möglichst schnell in immer größeren Stückzahlen zur Verfügung stehen. Besonders durch die Miniaturisierung der Bauteile entstehen Probleme in der Produktion. So funktioniert zum Beispiel das klassische Fließband hier nicht mehr. Es bedarf es neuer Materialien, Prozesse und Methoden in der Produktion.

Seit Anfang 2007 forschen rund 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bremen hierzu. Sie arbeiten in 17 Teilprojekten und kommen aus zahlreichen, verschiedenen Disziplinen: von der Produktionstechnik und der Physik über die Werkstoffwissenschaften und die Elektrotechnik bis hin zur Informatik. Die Federführung in dem auf zwölf Jahre angelegten Großprojekt, das zunächst mit rund 10 Millionen Euro gefördert wird, hat der Fachbereich Produktionstechnik.

Eines der SFB-Teilprojekte beschäftigt sich mit dem Rundkneten. Das ist ein Verfahren zum Umformen von Metallen. Statt zum Beispiel Stricknadeln anzuspitzen wie einen Bleistift, lassen sie sich auch ohne das Abtragen von Material fertigen. Rundgeknetet wird dort, wo Material sparend Bauteile wie Rohre oder Stangen in ihrem Querschnitt verändert werden. Geht es dabei um winzige Bauteile mit einem Durchmesser von weniger als einem Millimeter wie bei Wellen für Minimotoren, spricht man im SFB vom Mikrorundkneten. Auf den hundertstel Millimeter genau und in großen Serien werden sie künftig produziert. In diesem Projekt wird das Verfahren und eine Maschine dafür entwickelt: die Mikrorundknetmaschine.

Sabine Nollmann

 

Wetere Informationen:
Professor Dr.-Ing. Frank Vollertsen (Sprecher SFB 747)
Maya Schulte M. A. (SFB 747, „mikromal“-Projektkoordination),



Tel. 0421 218-50 22
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http://www.mikromal.de