Als Russland und die Ukraine Anfang 2009 einen Vertrag für die Fortsetzung der Gaslieferungen und den Gastransit abschlossen, atmete die Europäische Union auf. Der jahrelange Konflikt zwischen dem russischen Erdgasunternehmen Gazprom und dem ukrainischen Energiekonzern Naftohaz schien beigelegt. Wissenschaftler der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen warnen indes vor weiteren Problemen. „Eine nähere Analyse der Verträge zeigt, dass bereits neue Konflikte drohen“, sagt der Politikwissenschaftler Heiko Pleines von der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen. Der Vertrag sei keine Grundlage für eine dauerhafte Lösung. Pleines ist Herausgeber eines vor kurzem veröffentlichten Arbeitspapiers, das den russisch-ukrainischen Erdgaskonflikt vom Januar 2009 analysiert. Die Autoren stammen aus der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen, dem weltweit renommierten Oxford Institute for Energy Studies in Großbritannien, der US-amerikanischen Harvard University sowie der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, die unter anderem die Bundesregierung berät.
Erhebliche finanzielle Belastungen für die Ukraine
In den sieben Aufsätzen des Arbeitspapiers, wird der Gaskonflikt vielschichtig und fundiert aus historischer, wirtschaftlicher, politischer und außenpolitischer Sicht analysiert. So lagen den Wissenschaftlern unter anderem die Vertragstexte für ihre Analysen vor, die eigentlich geheim sind. Daraus geht unter anderem hervor, dass die finanziellen Belastungen für die Ukraine erheblich sind. Demnach muss die Ukraine, die kurz vor einem Staatsbankrott steht, mindestens zehn Milliarden Dollar pro Jahr aufbringen. „Kann sie das Geld nicht zahlen, darf Russland Vorauszahlungen fordern“, so Pleines. Dass daraufhin der Gashahn wieder zugedreht werde, sei wahrscheinlich.
Zwar müssten die Bürger in Deutschland nicht so schnell befürchten, dass ihre Heizungen auf Grund des Konflikts kalt bleiben, so Pleines. Das Land habe genügend Gasspeicher. Auch sei Russland nicht der einzige Lieferant für Erdgas. Doch müsse Deutschland langfristig mit dem „ukrainischen Problem“ zurechtkommen. Denn selbst wenn alle derzeit diskutierten Pipelines gebaut würden, liege selbst in zehn Jahren der Anteil des russischen Erdgases, das durch die Ukraine transportiert werden müsse, immer noch bei 54 Prozent. Zurzeit beziehe Deutschland rund ein Drittel seines Erdgasverbrauchs aus Russland, so Pleines. Ein Viertel komme aus Norwegen, ein Fünftel aus den Niederlanden, 15 Prozent stamme aus Eigenproduktion, der Rest aus diversen anderen Quellen.
Das Arbeitspapier zum Gaskonflikt kann unter www.forschungsstelle.uni-bremen.de/images/stories/pdf/ap/fsoAP101.pdf nachgelesen und heruntergeladen werden. Insgesamt veröffentlicht die Forschungsstelle Osteuropa sechs Mal im Jahr ein Arbeitspapier, in dem Wissenschaftler osteuropabezogene Themen analysieren.
Wetere Informationen:
Universität Bremen
Forschungsstelle Osteuropa
Heiko Pleines
Tel. 0421 218 7890
pleines uni-bremen.de
http://www.forschungsstelle.uni-bremen.de/images/stories/pdf/ap/fsoAP101.pdf