Praktikum auf Ausländisch

Ob stage, internship, Prácticas, 実習[jis·shû] oder praktyka specjalistyczna – wenn Sie sich mit mehr oder weniger Mühe die passende Übersetzung von `Praktikum´ zum Beispiel für Frankreich, Nordamerika, Spanien, Japan oder Polen besorgt haben, bedeutet das noch lange nicht „das Ende der Geschichte.“ Wörter erzählen nämlich eher ihre eigenen, zahlreichen Geschichten, und sie sind in ihrer Begrifflichkeit meistens zu tief in der jeweiligen Kultur verwurzelt, als dass ihre Übersetzung genau das bedeuten würde, was der Benutzer sagen will. So wie wir auf Deutsch von „Praxissemester“, „freiwilligem Praktikum“, „Vorpraktikum“, „Fachpraktikum“ usw. sprechen können, gibt es zum Beispiel im Englischen auch noch die Begriffe „practical training“, „work placement“ oder „co-operative education“ und „work experience“; jedes dieser Wörter mit seinen eigenen Nuancen. Falls studienbezogene Praktika in dem  Land, in das Sie möchten, überhaupt bekannt sind, können sie dort zum Beispiel regelmäßig als Kurzpraktika im Sommer, als Ergebnis von Hochschulkooperationen mit Firmen, als rein beobachtende Tätigkeiten oder auch als kurzfristiges „normales“ Mitarbeiten etabliert sein.

Doch genug der Philosophie, aber noch kurz gesagt: Missverständnisse, in vielen Fällen leider auch spontane Absagen durch die »Traumfirma«, sind vorprogrammiert, wenn wir uns allein auf unsere fremdsprachlichen Vokabeln verlassen.

Nun ist es sicherlich interessant und auch hilfreich herauszufinden, welche Praktikumskultur im Zielland existiert oder ob es überhaupt eine solche gibt. Dies hilft beim Verständnis dessen, was unserem Gegenüber dazu wahrscheinlich einfällt. Erschwerend kommt hinzu, dass wir im internationalen Vergleich in diesem Sektor wirklich »anders denken«. Seit Einführung von Praxissemestern in einigen Studienordnungen und im Zuge eines vollkommen neuen Verständnisses vom Wert ausbildungsbegleitender Arbeitserfahrung hat sich in Deutschland eine Praktikumskultur entwickelt, die von Bildungsinstitutionen, der Politik sowie hiesigen Firmen gefördert und unterstützt wird.

Das Ergebnis besteht darin, dass wir in Deutschland alle sofort verstehen, was junge Leute möchten und erwarten, die sich für ein Praktikum bewerben. Ein weiteres Resultat dieser Entwicklung der letzten 30 Jahre ist die Schaffung von Praktikantenstellen in den Stellenplänen vieler deutscher Unternehmen und Organisationen. Daneben existiert mittlerweile eine gewachsene Bereitschaft bei vielen Arbeitgeber_innen, neben den Vorteilen für die Firma auch ihre Verantwortung für den Ausbildungsprozess der Fachkräfte von morgen zu sehen. Wenn wir uns also um einen Praktikumsplatz in Deutschland bemühen, verläuft das zwar nicht immer so reibungslos, wie wir es uns wünschen würden. Wir können uns aber flächendeckend darauf verlassen, dass wir mit unserem Anliegen verstanden werden.

Im Ausland kann das ganz anders aussehen. Wenn wir einmal von den großen internationalen Konzernen und Organisationen absehen, sind ausländische Arbeitgeber mit dem bei uns herrschenden Praktikumskonzept oft nicht oder nur oberflächlich vertraut. So sind unsere Praktikumsbewerbungen weniger »(selbst)verständlich«, als wir denken.

Gerade die Selbstverständlichkeit des Praktikums als Ausbildungselement, welches Firmen doch unterstützen sollten, stellt einen Aspekt dar, auf den wir bei internationalen Bewerbungen kaum setzen können. Denn warum sollte ein Arbeitgeber in Australien oder Afrika uns einen Gefallen tun und unsere eigene Ausbildung unterstützen? Sicherlich können wir Gründe anführen, warum so ein Praktikum doch eine gute Sache ist, aber ganz natürlich haben, nicht zuletzt in der „Business World“, Solidarität und Nächstenliebe auch ihre betriebswirtschaftlich begründbaren Grenzen. Das Bitten um einen Praktikumsplatz und das Aufzählen, wie wichtig dieses Praktikum für einen selbst ist - „I want to improve my English“ - gehören bei weitem nicht zu den Erfolg versprechenden Bewerbungsstrategien.

Auch der konkrete Studienbezug, den die Bewerber:innen gerade bei Pflichtpraktika verständlicherweise im Vordergrund sehen, stellt für internationale Arbeitgeber:innen in aller Regel keinen besonderen Anreiz dar, einen Praktikumsplatz anzubieten. Natürlich finden sich auch Unternehmen, die gerne einen Gefallen tun und den »größeren Sinn« eines Praktikums erkennen. Dort ist der Erklärungsbedarf geringer, nicht aber die Notwendigkeit zu überzeugen, warum Sie selbst gerade der/die ideale Praktikant:in sein sollten. Gerade bei kleinen oder mittleren Unternehmen, bei denen übrigens die meisten Bewerber:innen fündig werden, ist hier Überzeugungsarbeit zu leisten..

Zusammen mit einer verständlichen Erklärung, was mit dem Begriff Praktikum (oder »internship«, »stage« usw.) gemeint ist, stellen wir idealerweise eher den eigenen Beitrag zur Arbeitswelt in den Vordergrund als die Vorteile, die wir selbst davon haben. Denn wenn es sich nicht auch für das Unternehmen lohnt, einen Praktikumsplatz bereitzustellen, sind die Aussichten auf ein gutes (und hoffentlich bezahltes) Angebot eher begrenzt.

Bei der Präsentation Ihres Anliegens hilft es, die im vorigen Kapitel erwähnte „Praxisphase“ als einen Zeitraum während des Studiums und im Zusammenhang mit der eigenen Ausbildung darzustellen, in dem Sie beim Arbeitgeber

  • aktiv in einem zum eigenen Ausbildungsstand passenden Bereich mitarbeiten möchten,
  • in eine Abteilung/ein Team integriert werden möchten,
  • Ihre Kenntnisse und Vorerfahrungen einbringen möchten,
  • für Projektaufgaben zur Verfügung stehen,
  • bereit sind, im angemessenen Rahmen Verantwortung zu übernehmen,
  • Ihre speziellen Kompetenzen wie z.B. Fremdsprachenkenntnisse sowie die kulturelle Versiertheit im Heimatland und in Europa nach Bedarf zur Verfügung stellen können

und dabei gleichzeitig

  • Ihre eigenen Kenntnisse zu Arbeitsprozessen ausbauen,
  • die ausländische Arbeitswelt kennen lernen,
  • theoretisch erworbenes Fachwissen einsetzen und ausprobieren können,
  • von der Betreuung durch den Vorgesetzten und die Arbeitskollegen profitieren und lernen können,
  • Ihre Fremdsprachenkenntnisse weiter anwenden und ausbauen (Hier auf keinen Fall davon sprechen, dass Sie Kenntnisse erst erlernen wollen!).

So können Sie, alles in allem, die eigenen Weiterbildungsziele oder die Anforderungen der Studienordnung uneingeschränkt erreichen und erfüllen.

Wenn Sie es so erklären, wird sozusagen „ein Schuh draus“, der beiden – Firma und Praktikant:in – passt. Mit der Betonung des eigenen Beitrags an erster Stelle machen Sie sich für Arbeitgeber:innen interessant, und wenn das Interesse erst einmal geweckt ist, können Sie unbefangen alle weiteren Details und Anliegen in die Gespräche einbringen und abklären.

„Ich muss…“ (weil die Studienordnung es vorschreibt…) ist dabei immer eine wenig Erfolg versprechende Strategie; „Yes, I can“ verdeutlicht dem angestrebten Praktikumsgebern viel eher, dass das Vorhaben eine gute Idee darstellt und alles andere als eine Einbahnstraße ist. Der große Vorteil dieser Herangehensweise besteht darin, dass Sie alle Bestandteile und wichtigen Punkte, was Ablauf und Inhalte des Praktikums angeht, ansprechen und unterbringen können, ohne sich und vor allem den Wunscharbeitgebern von vorneherein einzuengen. Und auch Ihr „Praktikumszeugnis“ (was immer das dann wieder in der Zielsprache heißen wird…) bekommen Sie nach einer erfolgreich verbrachten Zeit von jedem Vorgesetzten meistens gerne ausgestellt– solange Sie verständlich erklären, worum es Ihnen geht.

Dieser offene, eher geschickt beschreibende Ansatz fördert auch den Einordnungsspielraum der Arbeitgebenden. Wie in Deutschland auch werden auf die Firmen mit dem Angebot zur an internationale Praktikant:innen ohnehin eine Reihe administrativer Erfordernisse zukommen (Sozialversicherung, betriebliche Personalstrukturen, Arbeitserlaubnis u.ä.) – dies darf nicht unterschätzt werden. Sie müssen deshalb erreichen, dass die Firma das Ganze interessant findet und eigenen Bewegungsspielraum sieht.

In manchen Ländern lassen sich gute Praxisphasen durchaus in dem dort bekannten System eines „Working Holiday“ realisieren. Ein Konzept, das Arbeitgeber kennen und das gleichzeitig oft die beste Möglichkeit für eine Arbeitserlaubnis bietet (s. Kapitel „Rechtliches und Formales“).

In manchen Fachbereichen, zum Beispiel in sozialwissenschaftlichen oder auch kulturwissenschaftlichen Feldern, passen die von uns erstrebten Praktika ideal in das Konzept der „freiwilligen Mitarbeit“ und zwar ohne, dass dies unbedingt nichtentlohnte Arbeit bedeuten muss. Ebenso können Sie im Gespräch eventuell feststellen, dass es Arbeitgebende gibt, die durchaus firmeninterne Weiterbildungsstrukturen aufgebaut haben, in die sich die Praktikumszeit gut integrieren lässt. Um hier die idealen Wege zur Umsetzung der eigenen Pläne zu finden, beschreiben Sie ihr Vorhaben eher offen und auf die inhaltlichen Elemente bezogen, als dass Sie sich ausschließlich an einem für sich alleine stehend wenig aussagefähigen, im schlimmsten Fall kontraproduktiven Begriff wie z.B. „Pflichtpraktikum“ festklammern.

Erfahrungsberichte

Auf unserer Seite "Auslandspraktikum" erzählen Studenten und Studentinnen von Ihren Praktikumserfahrungen im Ausland.

zu den Video-Clips

Hier ein Beispiel: Auslandspraktikum - Interkulturelle Kompetenz

Interkulturelle Kompetenzen