Nr. 115 / 28. April 2016 KG
In der Gesundheitsversorgung vertrauen die Patienten darauf, dass das, was von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird, unbedenklich ist und der Gesundung nutzt. Um dies sicherzustellen, müssen Erkenntnisse über den Nutzen oder den potenziellen Schaden von Gesundheitsleistungen zusammengetragen und bewertet werden. Diesen Prozess nennt man Health Technology Assessment (HTA). Die Ergebnisse werden in HTA-Berichten zusammengefasst und politischen Entscheidungsträgern, aber auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
2013 startete das von der EU mit knapp drei Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt INTEGRATE-HTA (integrated health technology assessment for complex health technologies) unter Leitung der Universität Bremen. Prof. Dr. Ansgar Gerhardus, Sprecher der Abteilung Versorgungsforschung am Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), koordinierte das Projekt. Neben der Uni Bremen arbeiteten sechs weitere Partnerinstitutionen aus den Niederlanden, Norwegen, England, Italien und Deutschland mit, um Fortschritte in der Nutzenbewertung von Gesundheitsleistungen zu machen. Nach drei Jahren Forschungszeit liegen jetzt die Ergebnisse vor.
Bisherige Bewertung von Gesundheitsleistungen
Oft konzentrieren sich die Bewertungen ausschließlich auf medizinische und ökonomische Aspekte. Ethische Aspekte mit Fragen wie: „Beeinflusst die Anwendung der Technologie die Privatsphäre eines Patienten?“ werden vernachlässigt. Auch soziokulturelle Aspekte, zum Beispiel, ob sich die Akzeptanz der Technologie in verschiedenen sozialen Gruppen unterscheidet, werden nicht berücksichtigt. Ebenso wenig wie Patientenpräferenzen und der Kontext für die Einführung von Gesundheitsleistungen, zum Beispiel die regionale Infrastruktur (Beispiel: mangelhafte psychotherapeutische Versorgung in ländlichen Gebieten).
Der ganzheitliche Ansatz im Forschungsprojekt
Die bislang vernachlässigten Aspekte spielen jedoch eine große Rolle, vor allem, wenn es um die Versorgung chronischer Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen geht. Diese haben vielschichtige Ursachen und Verläufe und erfordern in der Behandlung eine Vielzahl komplexer und gut abgestimmter Maßnahmen. Beispiele sind Disease-Management-Programme, Konzepte zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder die palliative Versorgung von schwerkranken Menschen. Bei der Frage, welche dieser Maßnahmen für wen in welcher Situation am besten geeignet sind, müssen medizinische, wirtschaftliche, ethische und soziokulturelle Aspekte ebenso beachtet werden, wie die Wünsche der Patienten und der Kontext, in dem die Maßnahmen angewandt werden.
Am Beispiel der Palliativversorgung entwickelte das Projektteam Methoden, die es ermöglichen, all diese Aspekte zu integrieren. 31 internationale Experten aus 14 Ländern begutachteten die Leitfäden auf ihre Anwendbarkeit und Relevanz. Die Ergebnisse des dreijährigen Forschungsprojektes sind nun öffentlich zugänglich. Anwender, Nutzer und Entscheidungsträger sollen mit den Leitfäden Werkzeuge an die Hand bekommen, die eine systematische Einschätzung von komplexen Gesundheitsleistungen auf dem aktuellsten Stand der Forschung ermöglichen. Die Methodenleitfäden stehen zum kostenfreien Download bereit unter: www.integrate-hta.eu/downloads
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Institut für Public Health und Pflegeforschung
Versorgungsforschung
Dr. Kati Mozygemba
Tel.: 0421 218 688 01
E-Mail: kati.mozygembaprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de