Nr. 334 / 30. November 2016
In naher Zukunft werden Autos selbst im dichten Stadtverkehr vollständig autonom fahren – und die Mathematik und Informatik fahren mit! Assistenzsysteme wie Tempomat, Einparkhilfen oder Stauassistent sind bereits jetzt in modernen Autos üblich. Bis zum vollautonomen Fahren ist es allerdings noch ein weiter Weg. Jetzt wurde an der Universität Bremen ein Serienfahrzeug, ein sogenannter Plug-In-Hybrid, in Empfang genommen. Ab sofort können Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Mathematik und Informatik ihre Forschungsarbeiten aufnehmen. Sie werden neue autonome Fahrmanöver entwickeln und testen mit dem Fokus auf Autos im Stadt- und Landverkehr und in der Fahrgast-Assistenz. Das Projekt mit dem Namen „AO-Car - Autonome, optimale Fahrzeugnavigation und -steuerung im Fahrzeug-Fahrgast-Nahbereich für den städtischen Bereich“ ist bereits im September 2016 gestartet. Es wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn gefördert.
Die Bremer Forschungsmethoden sind anders
Parkplatzsuche, automatisches Einparken, Fahrspurassistenz oder Brems- und Ausweichstrategien zur Unfallvermeidung sind nur wenige der vielen Herausforderungen, die vom Fahrzeug selbstständig und individuell angepasst gemeistert werden müssen. Im Allgemeinen wird hierbei für jede Fahrsituation eine eigene Technik erstellt. Der Ansatz der Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist anders – denn gerade die abstrakte Denkweise der Mathematik erweist sich hier als Schlüssel zum Erfolg: Alle diese Fahrsituationen lassen sich auf ein und dieselbe mathematische Fragestellung des Auffindens von optimalen Bahnen zurückführen. Mit dieser Forschungsrichtung beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren die Arbeitsgruppe für Optimierung und Optimale Steuerung unter Leitung von Professor Christof Büskens. Dagegen ist der Bereich rechnergestützte Entscheidungen zu finden die Kernkompetenz der Arbeitsgruppe für Kognitive Neuroinformatik unter Leitung von Professorin Kerstin Schill. Diese Entscheidungsfindung basiert hier auf Hintergrundwissen und multisensorischen Informationen, wie etwa „nur Bremsen“ oder doch „besser Ausweichen“. Auch hier helfen allgemein anwendbare Methoden der Informatik.
Das Fahrzeug wird zuerst umgebaut
Das sowohl elektrisch als auch herkömmlich angetriebene Forschungsauto, das den Bremer Forschern nun zur Verfügung steht, wird zunächst umfangreich technisch ergänzt, um auf die zentralen Fahrfunktionen (Lenken, Beschleunigen, Bremsen) des Autos zugreifen zu können. Wie groß bereits jetzt das Interesse an den Bremer Ergebnissen ist, zeigt sich bei der Unterstützung des anspruchsvollen Umbaus durch die in diesem Bereich erfahrene Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr GmbH (IAV) und durch den Continental Konzern, der eine zusätzliche Stereokamera und dessen Einbau sponsert.
Mit Sensoren erkennt das Auto seine Umgebung
Das Hybridfahrzeug ermöglicht eine effektive und umweltfreundliche Wahl zwischen elektrischem und konventionellem Antrieb. Des Weiteren ist das Forschungsauto mit einer Vielzahl an Sensoren, wie Kameras, Radar, Ultraschall- und Laserscannern ausgestattet, um autonom agieren zu können. Mit diesen Sensordaten kann das Auto seine Umgebung erkennen. Ein im Computer erzeugtes Abbild des realen Testfahrzeugs und der erkannten Umgebung erlauben dann die Umsetzung optimaler, schneller, komfortabler, sicherer und kraftstoffsparender Fahrmanöver.
Der menschliche Faktor
Nahes Ziel des Forschungsprojektes ist es, den Campus als Teststrecke zu verlassen um die Entwicklungen im Realverkehr zu testen, natürlich zunächst immer mit einem menschlichen Fahrer, der verantwortlich jederzeit in die Entscheidungen des Fahrzeugs eingreifen kann.
Die Bremer Arbeitsgruppe „Optimierung und Optimale Steuerung“
Die Arbeitsgruppe „Optimierung und Optimale Steuerung“ am Zentrum für Technomathematik der Universität Bremen wird von Professor Christof Büskens geleitet. Das Arbeitsgebiet umfasst die Optimierung und Steuerung von technischen, naturwissenschaftlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Prozessen und Systemen. Die Aufgaben stammen aus der Robotik, der Raumfahrt, der Fahrzeugdynamik und dem Energiesektor. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Berechnung von Lösungen in Echtzeit gelegt. Im Bereich Automotive hat die Arbeitsgruppe umfangreiche Industrieerfahrungen: Ausweichstrategien in Echtzeit, Energiemanagementoptimierung von Hybridfahrzeugen sowie der Audi Autonomous Driving Cup.
Die Arbeitsgruppe „Kognitive Neuroinformatik“
Die Arbeitsgruppe "Kognitive Neuroinformatik" entwickelt biologieinspirierte intelligente Systeme unter der Leitung von Professorin Kerstin Schill. Diese Systeme kombinieren elementare kognitive Fähigkeiten, wie die Mustererkennung, mit höheren kognitiven Leistungen wie das Entscheiden. Forschungsschwerpunkte sind dabei die Weiterentwicklung von Theorien zum Umgang mit unsicherem Wissen, die multisensorische Perzeption und Informationsverarbeitung, die selbstständige Lokalisation und Navigation sowie sensomotorisches Lernen und Entscheiden.
Weitere Partner in dem Projekt sind die Arbeitsgruppe für Computergraphik und Virtuelle Realität der Universität Bremen und das Institut für Raumfahrttechnik und Weltraumnutzung an der Universität der Bundeswehr München.
Achtung Redaktionen: In der Uni-Pressestelle kann unter E-Mail presse@uni-bremen.de ein Foto des Forschungsautos angefordert werden.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Mathematik/Informatik
Zentrum für Technomathematik
Prof.Dr. Christof Büskens
Tel.: 0421/218-63861
E-Mail: bueskensprotect me ?!math.uni-bremenprotect me ?!.de