Nr. 221 / 16. August 2016 SC
Die Konzepte der Algebra wurden bereits vor rund 2000 Jahren das erste Mal beschrieben, aber für Schülerinnen und Schüler stellen sie weiterhin eine große Herausforderung dar. Auch für Lehrkräfte ist es oft schwierig, die abstrakte Materie zu vermitteln. Ein Verbundprojekt unter Federführung des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik der Universität Bremen (TZI) soll den Lernenden in Zukunft helfen, die Konzepte mit verschiedenen Sinnen zu begreifen. Dafür werden im Projekt „Multimodal Algebra Lernen“ (MAL) neueste Erkenntnisse aus der Mathematikdidaktik mit den technischen Lösungen des TZI zusammengeführt. Auch Wissenschaftler des Kompetenzzentrums für Klinische Studien der Universität Bremen und des ifib - Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH – einem Forschungsinstitut an der Universität – sind an dem interdisziplinären Projekt beteiligt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert MAL im Rahmen des Förderschwerpunkts „Erfahrbares Lernen“ bis Mai 2019 mit knapp 1,4 Millionen Euro; das gesamte Projektvolumen beläuft sich auf 1,8 Millionen Euro.
Die Algebra steht im Fokus des Projekts, weil sie eine zentrale Rolle in der Bildung einnimmt. „Alles, was ab der 8. Klasse in Mathematik gelehrt wird, ist algebraisch unterlegt“, erklärt Professorin Angelika Bikner-Ahsbahs von der Arbeitsgruppe Didaktik in der Mathematik der Universität Bremen. Ein gutes Verständnis der Konzepte sei daher nicht nur wichtig für ein Studium in den Naturwissenschaften, sondern beispielsweise auch für die Berufsschule. Allerdings falle es vielen Lernenden aller Ausbildungsphasen schwer, abstrakte Algebra-Konzepte wie Gleichungen und Variablen nachzuvollziehen und anzuwenden.
Verstehen mit dem ganzen Körper
Ziel des Projekts MAL ist es daher, ein Algebra-Lernsystem zu entwickeln, das diese Konzepte interaktiv und körperlich erfahrbar vermittelt. Das Lernen findet auf diese Weise nicht nur „im Kopf“ statt, sondern im ganzen Körper – fühlend, sehend und hörend. Dafür werden berührbare Lernelemente entwickelt, die Algebra-Konzepte wie beispielsweise Zahlen oder Variablen darstellen und mit Informationstechnologie ausgestattet sind. Die Lernenden können diese Objekte anordnen oder das System über Gesten steuern – und sie erhalten dabei per Ton- oder Lichtsignal eine Rückmeldung, ob sie auf der richtigen Spur sind.
Ergänzt werden können diese „Smart Objects“, die in der Arbeitsgruppe Digitale Medien von Professor Rainer Malaka an der Universität Bremen entwickelt werden, durch Displays auf interaktiven Tischen oder Tablet-PCs. „Dabei geht es nicht um klassisches E-Learning, sondern um die Nutzung möglichst vieler Sinne, die das Lernen unterstützen“, erklärt TZI-Geschäftsführer Dr. Gerald Volkmann.
Individuelles Lernen erfordert weniger direkte Betreuung
Von den Ergebnissen des Projekts sollen auch die Lehrkräfte profitieren, die oft zeitlich nicht in der Lage sind, allen Schülern die optimale individuelle Unterstützung zukommen zu lassen – besonders dann, wenn die Lernenden sich auf sehr unterschiedlichem Niveau befinden. Das System soll in der Lage sein, den Wissensstand der Anwender automatisch zu erfassen, indem die Lösungswege und die Geschwindigkeit analysiert werden. Eine spielerische Gestaltung der Übungen kann darüber hinaus helfen, die Motivation zu fördern.
Die benötigten Technologien müssen jedoch zunächst entwickelt werden. Damit der praktische Nutzen gewährleistet ist, geht die technische Entwicklung mit der Didaktikforschung in diesem Projekt Hand in Hand. Professorin Bikner-Ahsbahs und ihr Team untersuchen kontinuierlich, wie die Lernprozesse mit den neuen Methoden konkret ablaufen und welche Ansätze besonders vielversprechend sind. In Zusammenarbeit mit der Abteilung Biometrie des Kompetenzzentrums für klinische Studien wird ein Konzept zu Evaluation dieser Prozesse entwickelt. Ein relativ junges Feld ist dabei das Experimentieren mit Gesten beim Lernen: „Die Forschung in der Didaktik zeigt zunehmend, wie wichtig Gesten für das Verständnis der Mathematik sein können“, erklärt die Wissenschaftlerin. Ein einfaches Beispiel ist das Anzeigen von prozentualen Verhältnissen mit den Händen. „Mit unseren Gesten verstehen wir manchmal schon Dinge, die dem Kopf noch gar nicht bewusst sind“, so Bikner-Ahsbahs.
Schulbuchverlag Westermann entwickelt Lerninhalte
Um die Erkenntnisse nach Projektende in die Klassenräume zu überführen, ist die Redaktion Sekundarbereich Mathematik/Naturwissenschaften der Verlagsgruppe Westermann unter der Leitung von Dr. Dirk Wenderoth als Projektpartner eingebunden – dort werden die Lerninhalte entwickelt, an bestehende Lehrwerke angepasst und den Schulen zugänglich gemacht. Ebenfalls dabei ist das Bremer Beratungsunternehmen xCon Partners, das unter anderem sein Know-how im Einsatz von Datenbrillen und anderen Wearables, also am Körper tragbaren, interaktiven Technologien, beisteuert.
Das Institut für Informationsmanagement Bremen fokussiert sich unterdessen auf die Wahrung der ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekte beim Einsatz der neuen Technologien im Unterricht. Ziel ist es, bereits im Entwicklungsprozess sicherzustellen, dass diese Faktoren angemessen berücksichtigt werden und nicht erst – wie so oft bei technischen Produkten – im Nachhinein. Das Kompetenzzentrum für Klinische Studien wird abschließend die Wirkung des MAL-Systems untersuchen.
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Weitere Informationen:
Universität Bremen
Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik der Universität Bremen (TZI)
Axel Kölling
Tel.: 0421/33 65 99 50
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