Nr. 316 / 28. Oktober 2011 SC
Die Lage der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer hat sich in den vergangenen Jahren zugespitzt: der legale Zugang zur Europäischen Union wurde immer weiter eingeschränkt – bei gleichzeitig starkem Ausbau der polizeilichen und militärischen Kontrollen der Seegrenzen und Migrationsrouten. Migrantinnen und Migranten versuchen nunmehr, von der afrikanischen Westküste zu den kanarischen Inseln bzw. von Libyen nach Italien in den Schutz Europas zu gelangen. Politische Auseinandersetzungen innerhalb der EU und die europäische Grenzschutzagentur Frontex sind die Folge – aber wie verhält es sich mit den rechtlichen Grundsätzen? So stehen zum Beispiel Frontex-Aktivitäten, die darauf abzielen, die Anlandung der Migranten auf europäischem Gebiet zu verhindern, in klarem Widerspruch zu den Grundgedanken des europäischen Flüchtlingsrechts. Und wie kommt es zu den hohen Opferzahlen? Laut UNO-Schätzungen erreichen lediglich 60% aller Flüchtlinge Europa. Das würde jährlich zehntausende Todesfälle im Mittelmeer zwischen Afrika und Europa bedeuten.
Zu diesem Thema forschte die Ethnologin Dr. Silja Klepp im Spannungsfeld zwischen immer schärferen Grenzkontrollen einerseits und dem Flüchtlingsrecht andererseits – und traf auf Verantwortliche, betroffene Flüchtlinge und willkürliche Rechtsausübung. Klepps Arbeit illustriert, wie sich die europäische Flüchtlingspolitik erst durch Aushandlungsprozesse der Akteure entwickelt: nicht die europäischen Institutionen, sondern die Praktiken vor Ort im Grenzraum sind dabei entscheidend.
Klepp verbrachte Monate mit Recherchen und Interviews der verantwortlichen Akteure und betroffenen Flüchtlinge in Italien, Malta und Libyen und musste zeitweise undercover agieren. Für ihre Dissertation wurde sie Anfang des Jahres mit dem renommierten Promotionspreis der Research Academy in Leipzig ausgezeichnet und für den Deutschen Studienpreis nominiert. Die Ergebnisse ihrer Forschung sind nunmehr unter dem Titel „Europa zwischen Grenzkontrolle und Flüchtlingsschutz. Eine Ethnographie der Seegrenze auf dem Mittelmeer“ veröffentlicht worden.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
artec|Forschungszentrum Nachhaltigkeit
Dr. Silja Klepp
Tel.: 0421 – 218 61857
E-Mail: kleppprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
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