Im Laufe ihres Studiums lernen Lehramtsstudierende jede Menge fachliche Inhalte. Doch wie hängen diese inhaltlich zusammen und wie werden sie später im Unterricht gut an die Schüler:innen vermittelt? Welche digitalen Tools braucht es, um die Verzahnung der Inhalte und die Vermittlung im Unterricht zu unterstützen? Damit beschäftigten sich Professorin Christine Knipping und Professor Marcus Callies im Projekt „Digi-Spotlights“.
Herausforderungen des Lehramtsstudiums
Viele Lehramtsstudierende schätzen besonders die fachdidaktischen Anteile ihres Lehramtsstudiums, da diese einen hohen Praxisanteil und unmittelbaren Bezug zum Schulunterricht aufweisen. Dagegen ist es für sie häufig schwieriger, die Relevanz der einzelnen Fachinhalte des Studiums zu erkennen und wie diese miteinander zusammenhängen. Auch stehen viele Studierende vor der Herausforderung, die gelernten fachlichen Inhalte im Unterricht zu vermitteln. Durch die fehlende Verzahnung zwischen den Bereichen Fachwissenschaft und Fachdidaktik nehmen viele Studierende ihr Lehramtsstudium als sehr fragmentiert wahr. Dies kann dazu führen, dass Studierende fachwissenschaftliche Inhalte mit weniger Motivation lernen und zum Ende des Studiums fachliche Wissenslücken aufweisen. Ein umfangreiches Wissen über Fachinhalte sowie gute fachdidaktische Kenntnisse sind jedoch wichtige Voraussetzungen für angehende Lehrkräfte, um später in Schulen erfolgreich zu unterrichten.
Spotlights für eine erfolgreiche Verzahnung von Fachwissenschaft und Didaktik
In dem Projekt „Digi-Spotlights“ wurden exemplarisch innovative Lehrkonzepte, sogenannte „Spotlights“ entwickelt, die Studierende dabei unterstützen sollen, Fachwissenschaft und Fachdidaktik besser miteinander zu verzahnen. Die „Spotlights“ helfen dabei, das Fach, die eigenen didaktischen Fähigkeiten und aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen besser zu verstehen und miteinander in Verbindung zu bringen. Digitale Tools, durch die fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Wissen besser miteinander vernetzt werden kann, sollen Studierenden dabei helfen, insbesondere auch eine reflexive Handlungskompetenz zu entwickeln. Spotlights wurden für die Fächer Englisch, Mathematik und Politik entwickelt, die zum Abschluss des Projekts in das Regelcurriculum der Studiengänge implementiert wurden. Ein Transferpaket bietet anderen Fächern die Möglichkeit, die entwickelten Lehrkonzepte in ihre Fachbereiche zu übertragen.
Varietäten des Englischen als Thema im Schulunterricht
Das Fach Englisch entwickelte das Spotlight „Varieties of English in Foreign Language Teacher Education - digital“, welches die Varietäten des Englischen, also die Ausbreitung und Veränderung der englischen Sprache in verschiedenen nationalen, soziokulturellen Kontexten, untersucht. „Durch die gestiegene Mobilität von Schüler:innen, Studierenden, aber auch Erwerbstätigen und durch Migration, kommen auch Lehrkräfte in Schulen viel stärker in Kontakt mit verschiedenen Varietäten des Englischen und das britische Englisch als alleiniger Standard ist mittlerweile schon Geschichte“ so Marcus Callies, der Teilprojektverantwortliche des Projekts aus den English-Speaking Cultures. „Es gibt zum Beispiel Schüler:innen und Studierende aus Westafrika oder aus Asien, die in dem Bildungssystem ihres Landes mit der dort verwendeten nationalen Varietät des Englischen akademisch sozialisiert worden sind. Da kann eine Lehrkraft an einer deutschen Schule nicht einfach sagen, dass das Englisch aus ihrem Land falsch ist und hier nur britisches Englisch verwendet werden darf, das wäre problematisch“. Da solche Konstellationen laut Callies vermutlich zunehmen werden, ist es sehr wichtig, dass Lehrkräfte ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass das Abwerten bestimmter Varietäten sich möglicherweise demotivierend im Unterricht auswirken kann.
Digitale Ressourcen, die sich in dem Projekt als förderlich erwiesen haben, sind zum Beispiel digitale Wörterbücher, die aufgrund ihrer Pflege als Onlinedatenbanken viel zeitnaher auf den Sprachwandel Bezug nehmen können als gedruckte Wörterbücher. Auch arbeiten die Englischstudierenden mit Sprachkorpora, großen Sammlungen von gesprochener und geschriebener Sprache, die online verfügbar sind. „Diese können zurate gezogen werden, wenn einem zum Beispiel ein bestimmter Ausdruck im Englischen unbekannt ist oder seltsam vorkommt“, so Callies. Sie geben Aufschluss darüber, ob ein Ausdruck belegt ist, wie häufig dieser vorkommt oder in welchem Kontext und in welchen englischsprachigen Regionen er überwiegend verwendet wird. Diese digitalen Ressourcen helfen den Studierenden, weil sie relativ unkompliziert und kostenfrei verfügbar sind und sie bereits im Studium lernen können, damit zu arbeiten.
Erst gemeinsam, dann spezifisch lernen mit dem Y-Modell
Im Spotlight „Y-Digimath“ ging es in der Entwicklung vorwiegend um die Relevanz der Kerninhalte des Mathematikstudiums, die Verzahnung dieser untereinander sowie deren Vermittlung in die Schule. In dem hierfür entwickelten Y-Modell werden Lehramtsstudierende und Nicht-Lehramtsstudierende in einer Fachvorlesung zu Beginn gemeinsam unterrichtet und nach zwei Dritteln der Zeit in zwei Gruppen aufgeteilt. So kann eine gemeinsame Wissensbasis für alle Studierenden geschaffen werden. Die Teilung der Kohorten ist an der Stelle aber wichtig, „denn, es ist doch schon etwas anderes, ob ich im Vollfach Mathematik studiere oder ob ich Mathematik im Lehramt unterrichten möchte“, berichtet die Teilprojektverantwortliche Christine Knipping. „Diese Mischung gemeinsam ein Stück des Weges zu gehen, dann aber auch spezifisch zu werden“, hat sich laut Knipping bewährt.
An digitalen Tools wird unter anderem das Tool „GeoGebra“ verwendet, welches sehr gut mathematischen Zusammenhänge geometrisch veranschaulichen kann. Dieses kommt zum Beispiel in der Praxisphase des Projekts bei den „Experimentiertagen Mathematik“ zum Einsatz. Studierende bereiten für Oberstufenschüler:innen fachwissenschaftliche Inhalte so vor, dass Schüler:innen wesentliche Aspekte verstehen können. Hierbei müssen sie auch für sich selbst häufig noch mal die eigentlichen Kernpunkte erkennen, um die es geht. „Das ist nicht nur für die Studierenden, sondern auch für die begleitenden Lehrkräfte hoch spannend, weil normaler Mathematikunterricht häufig nicht in so einem experimentellen Format abläuft“, so Knipping. Zur Reflexion des Projekts wird das ebenfalls im Projekt entwickelte E-Portfolio „p:ier“ eingesetzt, welches als digitales Lerntagebuch genutzt wird. Studierende können mithilfe von diesem auf einer Metaebene reflektieren, was sie in der Fachwissenschaft anhand von Experimenten gelernt haben und wie sie das Gelernte didaktisch umsetzen können.
Überschwemmt von Daten
In der Politikwissenschaft mit ihrem Spotlight „Data Sprint“ werden Studierende in kurzer Zeit mit sehr vielen Daten konfrontiert. Sie müssen aus diesen Daten dann sozialwissenschaftliche Fragestellungen entwickeln und sich entscheiden, worauf sie sich fokussieren wollen. Durch die entwickelte Methode können Studierende eine direkte Forschungserfahrung machen und lernen, Ergebnisse innerhalb eines begrenzten räumlichen und zeitlichen Settings zu produzieren. Ziel des Data Sprints ist es, angehende Politiklehrer:innen für die Relevanz der fachwissenschaftlichen Inhalte zu sensibilisieren und ihnen Möglichkeiten für den Umgang mit Datensätzen im Unterricht aufzeigen. Digitale Tools spielen in dem Projekt insofern eine Rolle, weil diese genau diesen Datenboost ausmachen, durch den sich die Studierenden durch Fragestellungen hindurchfinden müssen.
„Diese Spotlight-Projekte zeigen, dass wir daran arbeiten, die Qualität der Lehrer:innenbildung zu verbessern und dass wir hierfür neue und innovative Konzepte brauchen. Vor dem Hintergrund des Lehrkräftemangels ist dies natürlich derzeit auch ein riesiges Thema, denn die Qualität der Lehrer:innenbildung ist ganz entscheidend für die zukünftige Ausbildung von Schüler:innen“, so Marcus Callies.