Behinderung und Identität
Der Begriff „Mensch mit Behinderung“ schließt eine breite Palette von Personen mit ein. In vielen Texten wird heute auch die Formulierung „Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung“ verwendet, um möglichst wenige Personen auszuschließen. Trotzdem bleibt auch diese Formulierung nicht unproblematisch. Was z.B. bedeutet „chronisch“? Eine dreimonatige Bettlägerigkeit wegen eines Autounfalls kann ebenso das Studium beeinträchtigen wie eine vierjährige Depression.
In der Behindertenrechtsbewegung gibt es die Leitidee des „Wir sind nicht behindert, wir werden behindert.“ Dieser Spruch spielt auf die Problematik an, „Behinderung“ immer nur als Unzulänglichkeit der einzelnen Person zu thematisieren und nicht als systematischen Diskriminierungsprozess.
Wir möchten diese Idee auch auf den Lernraum Universität übertragen. Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen werden häufig unter dem Label „Studieren mit Beeinträchtigung“ zusammengefasst. Das lässt sich natürlich so verstehen, dass „beeinträchtigte“ Menschen an die Universität kommen, für die nun Extraaufwand betrieben werden muss. Es lässt sich aber auch so verstehen, dass Menschen an der Universität Strukturen vorfinden, die sie in ihrem Studium beeinträchtigen und die ein Recht darauf haben, dass die Beeinträchtigungen beseitig werden.
Nicht allen ist eine gesundheitliche Einschränkung, eine Behinderung oder andere Aspekte ihres Lebens anzusehen. Auch trauen sich viele Menschen wegen der Gefahr von Diskriminierungen und Stigmatisierungen nicht sich zu outen.
Wie hoch also die Dunkelziffer von Studierenden mit Beeinträchtigungen ist, kann nur spekuliert werden.
Behindertengerechte Toiletten lassen sich an vielen Orten der Universität finden. Auffallend ist dabei die Geschlechtseinteilung, die anscheinend dem Prinzip „Frau, Mann, Stuhl“ folgt.
Ebenso wie sich die Frage stellt, ob die Aufteilung von Waschräumen in Frau und Mann nicht unnötigerweise die Geschlechterbinarität weiter zementiert, stellt sich auch die Frage, warum, wenn anscheinend die Zuweisung von Mann und Frau so wichtig war, Menschen, die auf behindertengerechte Toiletten angewiesen sind, aus dieser Aufteilung herausgelassen sind.
"Der, die, das Standard"
In unseren bisherigen Arbeiten haben wir häufig eine Modellholzpuppe als Symbol für den/die Studierende/n verwendet. Die Absicht dahinter ist, ein möglichst breites Spektrum von Personen zu repräsentieren, ähnlich wie auch Strichfiguren in Hinweisschildern verwendet werden.
Dies ist uns nicht wirklich gelungen. Die Holzpuppe entspricht immer noch einem Standardmaß von Körperfülle, Anzahl von Gliedmassen und (relativer) Größe in dem sich viele Menschen nicht wiederfinden können.
In Zukunft werden wir daher daran arbeiten, inklusivere Präsentationsformen zu verwenden.
Häufig werden die „Behinderten“ als die „Anderen“, die „Ausnahmen“ wahrgenommen. Dieser Personengruppe werden dann unter Umständen Unverständnis entgegen gebracht, aber auch das Gegenteil ist möglich. Wenn nämlich „Behinderte“ nur als eindimensionale Figuren wahrgenommen werden, von denen man ja so viel lernen kann, die durch ihre „Leidensgeschichte“ nichtbehinderten als Beispiel gelten, dass „es anderen ja noch viel schlechter geht“. Kurzum: Wenn „Behinderte“ nicht mehr als Individuen mit eigenen Zielen und Interessen anerkannt werden.
Wir möchten daher im obigen Bild den Ort zeigen, an diesem „Andere“, „Behinderte“ studieren und darauf hinweisen, Menschen mit Behinderung und Beeinträchtigungen nicht auf nur ein Merkmal zu reduzieren, sondern Sie als vollwertige Menschen wahrzunehmen.