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Algen-Zucker als Ballaststoff für eine gesunde Verdauung im Ozean

Zu viel Kohlenhydrate, vor allem die süßen Einfach-Zucker, machen dick. Die komplexeren Mehrfachzucker dagegen sind als Ballaststoffe wichtig für die Gesundheit. Wir können diese Ballaststoffe aus Gemüse und Getreide weniger gut verdauen als Tafelzucker.

Es wird angenommen, dass sie wie ein Schmiermittel wirken, das die Nahrung schneller durch den Körper befördert. So bleibt dem Körper weniger Zeit, Energie zu extrahieren – man bleibt schlank. Prof. Dr. Jan-Hendrik Hehemann von der Universität Bremen vermutet, dass komplexe Zuckermoleküle – sogenannte Polysaccharide – aus Algen im Kohlenstoffzyklus des Meeres eine ähnliche Funktion haben könnten. Seine Arbeit wird nun mit einer Heisenberg-Professur von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Was wäre, wenn Polysaccharid-Ballaststoffe auch im Ozean dazu führten, dass Nahrung schneller absinkt und weniger verdaut würde? Diese Art von Fragestellung untersucht Jan-Hendrik Hehemann vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen mit seiner Arbeitsgruppe „Marine Glykobiologie“, die als Brückengruppe am MARUM und gleichzeitig am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen angesiedelt ist. Auf ihrer Forschung wird die neue Gruppe „Glykobiochemie“ jetzt zusätzlich am Fachbereich 2, Biologie/Chemie, der Universität Bremen aufbauen.

Im Meer wird die Nahrung an der Oberfläche insbesondere durch mikroskopische Algen produziert. Diese Algen synthetisieren große Mengen an Polysacchariden aus dem Treibhausgas Kohlendioxid. Durch diese Mehrfachzucker kleben Materialien wie Zellen, Mineralien und Staub zusammen und bilden schwere Partikel, die schnell durch die Wassersäule sinken. Die Polysaccharide könnten also – so die Hypothese Hehemanns – auch im Ozean dafür verantwortlich sein, dass kohlenstoffreiches Material schneller befördert wird, analog zur Nahrung beim Menschen. Als Folge könnten Polysaccharide dabei helfen, Kohlenstoff in der Tiefe des Ozeans und im Sediment zu speichern.

„Um solche Fragen zu beantworten, müssen wir Polysaccharide genau messen können, und hier liegt das Problem. Es sind besonders komplizierte Moleküle, die schwer zu erfassen sind. Bakterien allerdings haben Wege gefunden, um Polysaccharide aufzuspüren und als Nahrung zu nutzen. Sie verwenden Proteine, um Polysaccharide einzufangen und Enzyme, um sie zu verdauen. Wir untersuchen, wie die Bakterien Polysaccharide erkennen und wie ihre Enzyme funktionieren“, erklärt Jan-Hendrik Hehemann. „Jedes Bakterium, jeder Mikroorganismus hat eigene Enzyme, seine eigenen Werkzeuge, um Polysaccharide zu zerschneiden. Diese Enzyme können wir verwenden, um Zuckermoleküle im Meer zu messen und somit die Ballaststoff-Hypothese zu testen.“

Die Enzyme von Bakterien sind verantwortlich für den Abbau der Zuckerverbindungen, sie brechen die großen, komplizierten Polysaccharide in kleinere, einfachere Einheiten auseinander. Diese Einfachzucker sind laut Hehemann einfacher zu messen als Polysaccharide. „So können wir durch die Messung der Einfachzucker, ähnlich einem Diabetes-Zuckertest, auch die Polysaccharide quantifizieren. Bakterien lehren uns, wie man es macht. Polysaccharide lassen sich so zum ersten Mal akkurat quantifizieren. Bakterien, die kleinsten Organismen der Erde, als Lehrmeister zu akzeptieren, um den globalen Kohlenstoffkreislauf analytisch zu erfassen, ist ein neuer Ansatz in der Meeresforschung, der von unserer Arbeitsgruppe entwickelt und angewendet wird.“

Dank dieses Verfahrens sei es nun möglich zu messen, welche Zucker am häufigsten vorkommen, welche in die Tiefe sinken und somit als Ballaststoff im Ozean wirken. Dies wiederum lässt Rückschlüsse auf die Rolle der Polysaccharide im Kohlenstoffkreislauf zu. Die Analytik und die Forschung der neuen Arbeitsgruppe „Glykobiochemie“ leisten einen wichtigen Beitrag für das Verständnis des Ozeans als Kohlenstoffspeicher.

„Die Heisenberg-Professur für Glykobiochemie von Jan-Hendrik Hehemann ist mit Spannung am FB2 erwartet worden,“ freut sich Thorsten Gesing, Dekan des Fachbereichs 2 Biologie/Chemie. „Die Funktion von komplexen Zuckermolekülen ist ein weißer Fleck auf der Landkarte der Bio-Wissenschaften insgesamt, nicht nur im Meer. Die innovativen analytischen Ansätze von Dr. Hehemann sind ein wichtiger Kristallisationskern für gemeinsame Projekte am Fachbereich 2 und darüber hinaus für die Zusammenarbeit des Fachbereichs 2 mit dem MARUM sowie dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie im Wissenschaftsschwerpunkt Meereswissenschaften.“

Prof. Rudolf Amann, geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts ergänzt: „Die Glykobiologie erforscht den Abbau von Zuckern durch Mikroorganismen und wird uns viele neue Erkenntnisse zu den Stoffkreisläufen im Meer liefern. Wir gratulieren Jan-Hendrik Hehemann herzlich zur Heisenbergprofessur und freuen uns darauf, mit ihm auch weiterhin im Rahmen einer Max-Planck-Brückengruppe zusammenzuarbeiten. Die enge Zusammenarbeit zwischen Universität und MPI im Land Bremen ist seit fast drei Jahrzehnten ein Erfolgsmodell.“ Dem stimmt auch Prof. Michael Schulz, Direktor des MARUM zu: „Wir freuen uns sehr über diese neue Professur. Die Arbeitsgruppe bildet eine wichtige Brücke zwischen der Universität Bremen und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen unter dem Dach des MARUM“, sagt Prof. Michael Schulz, Direktor des MARUM.

„Mit der neuen Heisenberg-Professur für Jan-Hendrik Hehemann stärken wir strategisch ein weiteres Mal die Position der Universität Bremen als Klima-Universität in Forschung und Lehre. Wir freuen uns über die Anerkennung dieser Strategie durch die Finanzierung der Professur durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft“, erklärt Prof. Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Universität Bremen.

Zur Arbeitsgruppe gehören neben Jan-Hendrik Hehemann auch Alek Bolte, Hagen Buck-Wiese, Guoyin Huang, Joris Krull, Nguyen P. Nguyen, Jaagni Parnami, Dr. Mikkel Schultz-Johansen, Dr. Vipul Solanki, Dr. Nicola Steinke, Astrid Stierle, Tina Trautmann und Dr. Silvia Vidal Melgosa. Die enge Kooperation zwischen MARUM und dem MPI Bremen wird fortgesetzt.

Nach seinem Studium der Biochemie in Hamburg hat Jan-Hendrik Hehemann an der Université Pierre et Marie Curie in Paris und der Station Biologique de Roscoff (Frankreich) promoviert. Anschließend hat er erst als Postdoktorand an der University of Victoria, British Columbia (Kanada) und anschließend am Massachusetts Institute of Technology (USA) gearbeitet, bevor er an die Universität Bremen und das MPI Bremen gewechselt ist. Bereits parallel zur Schulzeit hat Hehemann eine Ausbildung zum chemisch-technischen Assistenten absolviert.

Mit der Heisenberg-Professur fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die durch ihre exzellente Forschung sowie außerordentliche Leistungen herausstechen und ermöglicht ihnen, ihre Forschungsschwerpunkte weiter zu verfolgen und eigene Arbeitsgruppen aufzubauen.

Weitere Informationen

https://www.marum.de/wir-ueber-uns/MarineGlycobiology-2/MarineGlycobiology-research.html

www.uni-bremen.de

Fragen beantworten

Prof. Dr. Jan-Hendrik Hehemann
Glykobiochemie
MARUM-MPI-Brückengruppe Marine Glykobiologie
Fachbereich Biologie/Chemie
Telefon: 0421 218-65775
E-Mail: jhhehemann@marum.de

Jana Nitsch
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen
Telefon: 0421218-65541
E-mail: jnitsch@marum.de
 

Die innovativen Forschungsansätze von Prof. Dr. Jan-Hendrik Hehemann werden nun mit einer Heisenberg-Professur von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Die innovativen Forschungsansätze von Prof. Dr. Jan-Hendrik Hehemann werden nun mit einer Heisenberg-Professur von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.