Nr. 157 / 9. Mai 2012 RO
Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien liegt bei 46 Prozent, in Italien knapp 30 Prozent. Alarmierende Zahlen, so dass die Arbeitsminister der G20-Länder 2011 einen Katalog zur Bekämpfung der Jugend-arbeitslosigkeit vorgelegt haben. Dort heißt es: Der dualen Berufsbildung ist besonderes Gewicht zuzumessen, da sie der hohen Arbeitslosenquote entgegenwirken kann. Doch sind in den europäischen Ländern die Standards in der dualen Berufsausbildung äußerst unterschiedlich. Bemer-kenswert ist, dass in den Ländern mit hohen Standards, wie etwa der Schweiz die Jugendarbeitslosig-keit kaum ein Problem ist. Vor diesem Hintergrund ist es doppelt bedeutsam, dass eine Gruppe internationaler Bildungsforscher vor kurzem ein Memorandum mit internationalen „Standards für die Gestaltung, Organisation und Steuerung der dualen Berufsbildung“ erarbeitet haben. In der Geschichte der Berufsbildung ist es das erste Strategiepapier mit gemeinsamen Standards und Forderungen. Erarbeitet wurde es von einer Kommission des internationalen Forschungsnetzwerks Innovative Berufsbildung (INAP). Zum Leiter der Kommission wurde Professor Felix Rauner, Bildungsexperte der Universität Bremen berufen.
Die Einführung breitbandiger „Kernberufe“ ist aus der Sicht der Bildungsforscher eine wichtige Vo-raussetzung zur Erhöhung der Attraktivität der beruflichen Bildung. Die Zahl der Ausbildungsberufe kann nach diesem Konzept deutlich reduziert werden. Es wird eine Größenordnung von ca. 250 vor-geschlagen. Kernberufe erhöhen die Flexibilität des Arbeitsmarktes und die Mobilität der Fachkräfte. Der in vielen Ländern viel zu weitgehenden Spezialisierungen der Berufsentwicklung kann so entge-gengewirkt werden. Dadurch entstehen stabilere Berufe, eine Erleichterung bei der Berufsorientierung von Schülern. Kernberufe sind darüber hinaus eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung beruflicher Identität und darauf basierendem Verantwortungsbewusstsein.
Eine besondere Herausforderung für eine funktionierende duale Berufsbildung ist das Zusammenspiel zwischen dem Lernen im Betrieb und in beruflichen Schulen. Die „Lernortkooperation“ gelingt dann am besten, wenn die Steuerung der Systeme „aus einer Hand“ gegeben ist. Darüber hinaus plädieren die Bildungsforscher für parallele Bildungswege mit einem durchgängigen dualen Bildungsweg bis hin zur Promotion. Dann können sich zum Beispiel Meister in einem dualen Masterstudiengang weiterbilden. Nur so könne die seit Jahrzehnten geforderte Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschuli-scher Bildung wirksam gestaltet werden.
In drei Kapiteln, „Kriterien einer modernen dualen Berufsbildung“, „Steuerung dualer Berufsbildungs-systeme“ und „Struktur und Entwicklung beruflicher Curricula“ werden insgesamt zwanzig Standards formuliert und begründet. Die Kommission hat sich in ihrer Arbeit auch von den Beispielen guter Be-rufsbildungspraxis in Ländern wie Deutschland und der Schweiz leiten lassen. „Ich bin sicher“, so Pro-fessor Rauner, „dass diesen Standards auch für die Modernisierung der beruflichen Bildung in Deutschland eine wegweisende Bedeutung zukommt.“
Das Memorandum liegt auf Deutsch und Englisch vor und kann per Mail angefordert werden: E-Mail innovative-apprenticeshipprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de
Weitere Informationen:
Universität Bremen
FG Berufsbildungsforschung (I:BB)
Prof.Dr. Felix Rauner
Tel. 0421 218 62632
E-Mail: raunerprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de