Nr. 383 / 8. Dezember 2010 SC
Mit großen, kreisenden Bewegungen der Arme steuern die Menschen Spiele auf dem Computer vor ihnen. Sie stehen dabei und konzentrieren sich voll auf den Bildschirm. „Neben der Medikation ist Bewegung für uns das Wichtigste“, berichtet Iris Sengstacke von der Bremer Selbsthilfegruppe für Parkinson. Bislang gibt es für sie nur klassische Gedächtnisspiele am PC zum Davorsitzen. „Damit können Parkinsonkranke wenig anfangen. Sie haben ja schon eine steife Muskulatur und sie brauchen Bewegung“, erläutert Ronald Meyer. Wie sich Computerspiele und Bewegung zusammenführen lassen, das erprobt der Master-Student in einem Projekt mit zehn Kommilitonen im Studiengang Digitale Medien der Universität Bremen am Beispiel Parkinson. Sie kamen zu dem Thema, weil der Schwiegervater von einem der Studenten von dieser Erkrankung des zentralen Nervensystems betroffen ist. „Hier ein Set von Spielen zu kreieren, das Stimm-, Bewegungs- und Koordinationstraining abdeckt, ist unsere Herausforderung bis zum Ende des Studienjahres im Sommer“, sagt Meyer.
Serious Games nennt sich dieser Bereich von Spieleentwicklung. Es geht immer noch ums Spielen, aber mit ernsthaftem Hintergrund und Nutzen. „Es werden Therapiespiele sein, die vor allem Spaß machen und die Konzentration auf das zu erreichende Ziel lenken. Die Spieler sollen möglichst die Bewegungsübung selbst kaum merken und eben nicht als Last empfinden“, erläutert Professor Rainer Malaka, Sprecher des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. Die Vorführungen der ersten Prototypen in den Bremer Selbsthilfegruppen der Deutschen Parkinson Vereinigung waren jedenfalls ein voller Erfolg. „Das wurde von uns Betroffenen sehr gut angenommen“, sagt Iris Sengstacke. Mitgefahren sind die Studenten auch zu einem gemeinsamen Seminar der Bremer Gruppen, bei dem 70 Betroffene die neuen Serious Games testeten. „Und wir haben auch selbst mitgemacht bei Angeboten zur Physiotherapie für Parkinsonkranke, um zu erleben, welche Einschränkungen es gibt und was an Bewegung möglich ist“, berichtet Meyer. Diese Offenheit der Studenten für die Bedürfnisse und Wünsche der Erkrankten überzeugte Sengstacke. „Das hat die Zusammenarbeit und Kommunikation leicht gemacht.“ Sengstacke ist schon gespannt auf den großen Endtest der Spiele, der für April 2011 geplant ist. „Wir stellen jetzt noch einmal die Prototypen auf den Prüfstand, verbessern sie immer weiter. Und dass am Ende erstmals ausgereifte Serious Games für Parkinsonkranke stehen, das schaffen wir“, ist Meyer überzeugt. Bis dahin muss Iris Sengstacke weiterhin morgens mit der Wii spielen, „um an einem schlechten Tag richtig in Gang zu kommen.“
Zu Parkinson
Parkinson ist neben Demenz und Alzheimer eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Der Londoner Arzt James Parkinson beobachtete und beschrieb bereits 1817 zwei der typischen so genannten Kardinalsymptome, das Zittern und die Bewegungsarmut. Das dritte wichtige Kardinalsymptom der Parkinsonkrankheit wurde 1867 vom französischen Neurologen Jean M. Charot identifiziert. Er beschrieb die Muskelstarre und erkannte damals schon, dass sich es sich um keine Lähmung, sondern um eine Steifigkeit handelt. Rund 300.000 Menschen in Deutschland sind davon betroffen, geschätzte 100.000 Menschen haben erste Symptome, ohne es zu wissen. Es sei daher wichtig, dass Parkinson mehr in die öffentliche Aufmerksamkeit rückt, sagt die Deutsche Parkinson Vereinigung.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI)
Prof. Dr. Rainer Malaka
Tel. 0421 218-64402
E-Mail: malakaprotect me ?!tziprotect me ?!.de