„Im Deutschen Kaiserreich waren Menschen, die als ,Zigeuner‘ stigmatisiert wurden, Anfeindungen, Repressionen und Abschiebungen ausgesetzt“, erläutert Dr. Eva Schöck-Quinteros, die das geschichtswissenschaftliche Theaterprojekt „Aus den Akten auf die Bühne“ der Universität Bremen leitet. „Politiker hetzten gegen sie, Polizeibehörden erfassten und kriminalisierten sie.“ Viele hätten versucht, sich an anderen Orten eine Zukunft aufzubauen. „Doch wohin sie auch gekommen sind: Diskriminierungen erwarteten sie überall in Europa.“
Staatliche Verfolgung und gesellschaftliche Ausgrenzung
1906 reisten rund 150 deutsche Frauen, Männer und Kinder aus dem Kaiserreich nach Großbritannien, wie die Historikerin erzählt. „Sie wollten auf Pferde- und Jahrmärkten Geld verdienen und ein Leben ohne Schikanen führen. Doch auch hier stießen sie auf Ablehnung. Im britischen Parlament diskutierten Abgeordnete über schärfere Einreisebedingungen.“ In der Presse seien sie als Eindringlinge beschrieben worden – „häufig unter der Schlagzeile ,German Gipsy Invasion‘“. Die Polizei habe sie von Ort zu Ort getrieben. »Und wohin jetzt?« erzählt die Geschichten dieser und Bremer Familien, auf der Suche nach einem Leben frei von staatlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Ausgrenzung.
Ein Projekt als internationale Kooperation
Das 16. Projekt der Reihe „Aus den Akten auf die Bühne“ entsteht in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftler:innen des HERA-Projekts „Beyond Stereotypes: Cultural Exchanges and the Romani Contribution to European Public Spaces“ (BESTROM) der Universitäten Sevilla, Liverpool, Helsinki und Kraków.
Panel: Antiziganismus in Europa – Gestern und Heute
Am Donnerstag, 24. Juni findet von 15.00 bis 17.00 Uhr im EuropaPunkt Bremen nach einem einem kurzen Auszug aus der Lesung eine Paneldiskussion zum Thema „Antiziganismus in Europa – Gestern und Heute“ statt. Romeo Franz, Mitglied des Europäischen Parlaments, und Dardo Balke, Bremerhavener Sinti-Verein, sprechen mit den Historikerinnen Prof. Dr. Eve Rosenhaft und Dr. Eva Schöck-Quinteros, wie es um die Teilhabe der Roma und Sinti in der EU, aber auch in Bremen bestellt ist, und geben dazu auch Einblick in die Situation vor Ort.
Preisgekröntes Projekt
Aus den Akten auf die Bühne ist ein geschichtswissenschaftliches Theaterprojekt der Universität Bremen unter der Leitung von Dr. Eva Schöck-Quinteros und der bremer shakespeare company (bsc).
Das Konzept: Studierende der Geschichtswissenschaft recherchieren historische Quellen, Peter Lüchinger von der bsc übernimmt die Textbearbeitung für die szenische Lesung und die Schauspielerinnen und Schauspieler bringen sie auf der Bühne zum Sprechen.
Für ihr Engagement in der historisch-politischen Bildung erhielt Dr. Eva Schöck-Quinteros 2019 das Bundesverdienstkreuz am Bande aus der Hand des Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier.
Weitere Informationen:
Link zur Premiere: https://www.shakespeare-company.com/repertoire/und-wohin-jetzt
Karten unter https://www.shakespeare-company.com/repertoire/und-wohin-jetzt
www.bestrom.org
https://www.sprechende-akten.de/
www.uni-bremen.de
Fragen beantwortet:
Dr. Eva Schöck-Quinteros
Institut für Geschichtswissenschaft
Fachbereich Sozialwissenschaften
Universität Bremen
Telefon: +49 421 218-67251
E-Mail: esqprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de