Kerstin Schill, an der Universität Bremen Professorin für Kognitive Neuroinformatik, ist jetzt zum zweiten Mal in den Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gewählt worden. In diesem höchsten Gremium der Forschungsförderung und Selbstverwaltung der Wissenschaft vertritt sie ganz allein die Informatik in Deutschland. Sie muss das in ihrer ersten Legislatur sehr gut gemacht haben, sonst hätte die Mitgliederversammlung sich nicht noch einmal für sie entscheiden. „So ganz üblich ist das sicher nicht“, kommentiert sie bescheiden. „Es macht mir Spaß, und ich lerne viel dabei.“
Stimme im Senat
Kerstin Schill wird laufend über alle Vorhaben informiert und hat eine Stimme in dem 39-köpfigen Senat. Er entscheidet über Fördergelder für zahlreiche Projekte aus allen Fachwissenschaften oder bewilligt Großgeräte. Informatik betreibt die 59-Jährige mit Leidenschaft. Sie wirbt für die weibliche Rolle darin. „Man hat ja allgemein das Bild vom Nerd mit Pizza vor Augen“, lacht sie. „Dabei ist Informatik genial für Frauen!“ Kein Fach in der modernen Welt könne auf Informationstechnologie verzichten, egal ob Biologie, Medizin, Umwelt- oder Sozialwissenschaft.
Schülerinnen ansprechen
Mit dem Projekt „smile“, dessen Koordinatorin sie ist, sollen Schülerinnen ab der fünften Klassenstufe neugierig auf IT werden. Mehrere Universitäten und Institute kooperieren dafür und bieten bis 2020 mehr als 100 Workshops an. „Mädchen können in Umgebungen, die mit Informationstechnologien ausgestattet sind, so genannten smarten Umgebungen, allerhand ausprobieren“, sagt die Wissenschaftlerin. Die jungen Teilnehmerinnen könnten zum Beispiel intelligente Beleuchtungen bauen, die sich nach Stimmungen richten. Die Themen in den Workshops sollen ihre Lebenswelt treffen.
Kochender Roboter
„Ich muss das e bissele hochheben“, ist ein häufiger Satz der gebürtigen Stuttgarterin. Sie ist in so vielen Funktionen und Positionen tätig, dass sie ihn öfter gebrauchen muss. Wer ihren Lebenslauf liest, staunt, dass ein Mensch überhaupt so viel schaffen kann. So ist sie auch Co-Sprecherin im Sonderforschungsbereich EASE (Everyday Activity Science and Engeneering). „Wir entwickeln einen Roboter, der 24 Stunden lang an sieben Tagen die Woche den Haushalt machen soll“, sagt sie. „Popcorn kann er schon, mal sehen, was er am Ende des Projekts für Rezepte umsetzt.“
„Der Mensch ist ein kleines Wunder“
Im Institut Kognitive Neuroinformatik, das Schill leitet, wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intelligente Systeme verstehen und erforschen. „Das Vorbild ist der Mensch, er kann viele Sensoren auf einmal einsetzen. Er kann Ideen entwickeln, Entscheidungen treffen, lernen, schlussfolgern und mit unsicherem Wissen umgehen“, sagt sie andächtig. Insbesondere interessiere sie das Raumverhalten. Resümee: „Wir sind ein kleines Wunder, das macht demütig.“ Im Institut werden viele Teilaspekte verfolgt. Wie finden sich Menschen im Raum zurecht? Wie sehen und hören wir? Wie kann man Geräusche und das Flugverhalten von Bienen maschinell erlernen um etwas über den Zustand eines Bienenvolkes zu erfahren? Dafür gibt es Bienenkörbe vor der Tür. Die Neuroinformatikerin ist glücklich, dass ihre Forschung dem Menschen dient. Seien es Unterstützungssysteme für Ältere, selbstfahrende Autos oder spezielle Navigationsgeräte für Demente.
Dekanin des Fachbereichs
Als Dekanin des gesamten Fachbereichs Mathematik/Informatik schnurrt Kerstin Schill die Zahlen nur so herunter: „Wir haben die meisten Studierenden, 400 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, davon 42 Professorinnen und Professoren, 11 Millionen Euro Drittmittel im Jahr. Und wir haben eine Lichtenberg- und eine Heisenberg-Professur“. Sie musste das einfach mal „e bissele hochheben“.
„Das ist meine Uni“
2003 ist Kerstin Schill mit ihrem Mann nach Bremen gekommen. Ihren Sohn hat sie zu Beginn häufig mit ins Büro auf den Campus genommen. Da hat er in der Ecke auf einem Pappkarton gespielt. „Im Nachhinein sagt der inzwischen 18-jährige Abiturient, es sei seine schönste Kindheits-Zeit gewesen“, erzählt seine Mutter. Für welches Studium er sich wohl entscheiden wird? „Ich fürchte, es wird Informatik“, sagt sie und lacht. Einst kam Kerstin Schill von der riesengroßen Ludwig-Maximilians-Universität München hierher in den Norden. „Da wurde ich wenige Tage später auf dem Campus vom Rektor angesprochen. Er wusste meinen Namen und fragte mich, wie es mir geht.“ Sie habe in dem Moment gewusst: „Das ist meine Uni“. Hier kennt man die Menschen und schätzt ihre Arbeit. „Es gibt wenige solche Orte“, sagt sie mit voller Überzeugung. Seither hat sie attraktive Angebote von anderen Universitäten ausgeschlagen. Professorin Kerstin Schill hat in Bremen noch viel vor.