Forschung
Schwere p-Block-Elemente
Funktionalisierte Molekülverbindungen der schweren Hauptgruppenelemente
Im Rahmen des Projekts beschäftigen wir uns mit der Sauerstoff- und Halogenchemie der Elemente Tellur und Antimon. Primäres Ziel des Projekts ist die Erschließung neuer Substanzklassen und deren Reaktivität. Strukturchemisch interessiert uns das Wechselspiel von (formalen) E=O-Doppelbindungen, E-X-Einfachbindungen und sekundären E•••X Wechselwirkungen (E = Sb, Te; X = O, F, Cl, Br, I).
Es wurde das erste Polytelluroxan synthetisiert und vollständig durch Einkristallröntgenbeugung charakterisiert.
Diorganotelluroxide vermögen in Kombination mit Oxiden anderer Hauptgruppenelemente Kohlendioxid aus der Luft zu binden. Dabei entstehen mehrkernige OrganoelementCarbonat-Cluster. Die Triebkraft der Reaktion ist die Ausbildung von hypervalenten und sekundären Sn-O und Te-O Bindungen.
Die Fixierung und Aktivierung von Kohlendioxid ist ein hochaktuelles Arbeitsgebiet. Kohlendioxid birgt ein großes Potential als C1-Quelle zur Herstellung wichtiger Grundchemikalien, wie z. B. Dimethylcarbonat, die z. Z. industriell noch aus giftigem Phosgen hergestellt werden.
Kürzlich wurden erstmals wohl-definierte monomere (RTeCl) und dimere Monoorganotellurenylchloride (RTeTeCl2R) synthetisiert.
Darüber hinaus wurden erste gemischt-valente Antimon-Oxo-Cluster wie z.B. (RSbV)2(ClSbIII)4O8 und (RSbV)4(ClSbIII)4(SbIII)2O14(OH)2 (R = 2,6-Mes2C6H3) hergestellt und vollständig charakterisiert.
Publikationen:
J. Beckmann, D. Dakternieks, A. Duthie, F. Ribot, M. Schürmann, N. A. Lewcenko
New Insights into the Structures of Diorganotellurium Oxides. The First Polymeric Diorganotelluroxane [(p-MeOC6H4)2TeO]n. Organometallics 2003, 22, 3257-3261.
J. Beckmann, D. Dakternieks, A. Duthie, N. A. Lewcenko, C. Mitchell
Carbon Dioxide Fixation by the Cooperative Effect of Organotin and Organotellurium Oxides.
Angew. Chem. Int. Ed. 2004, 43, 6683-6685.
J. Beckmann, D. Dakternieks, A. Duthie, C. Mitchell
The Utility of Hypercoordination and Secondary Bonding for the Synthesis of a Binary Organoelement Oxo Cluster. Dalton Trans. 2005, 1563-1664.
J. Beckmann, T. Heek, M. Takahashi
The First Mixed Valent Antimony(III/V) Oxo Clusters (2,6-Mes2C6H3Sb)2(ClSb)4O8 and (2,6-Mes2C6H3Sb)4(ClSb)4(HOSb)2O14. Organometallics 2007, 26, 3633-3635.
J. Beckmann, S. Heitz, M. Hesse
Four Distinctively Different Decomposition Pathways of Metastable Supermesityltellurium(IV) trichloride.
Inorg. Chem. 2007, 46, 3275-3282.
J. Beckmann, M. Hesse, H. Poleschner, K. Seppelt
Surprising Formation of Mixed Valent Aryltellurenyl Halides RX2TeTeR (X = Cl, Br; R = Ph, 2,6-Mes2C6H3)
Angew. Chem. Int. Ed. 2007, 46, 8277-8280
Leichte p-Block-Elemente
Supra- und makromolekulare Chemie der leichten Hauptgruppenelemente
Unser Interesse gilt der Selbstorganisation von Silanolen, Phosphin- und Phosphorsäuren durch Wasserstoffbrückenbindungen im Kristall. Ziel des Projekts ist der Aufbau supramolekularer Strukturen ausgehend von molekularen Bausteinen. Die molekularen Bausteine verfügen über mehrere funktionelle Gruppen die Wasserstoffbrückenbindungen eingehen können und deren Richtungssinn bereits auf molekularer Ebene festgelegt ist. Ein Beispiel für solche Bausteine sind 1,3,5-Tris(diorganohydroxosilyl)benzole, 1,3,5-(HOR2Si)3C6H3 (R = Me, Ph, i-Pr), die im Festkörper zur Bildung von Schichten neigen.
Eine gezielte Veränderung der Schichtstrukturen gelingt durch den Einbau von starren Gastmolekülen, wie z. B. 4,4’-Diazobenzol. Dabei ergeben sich oftmals größere nanodimensionale Hohlräume.
Die Stabilität solcher Netzwerke ließ sich auf molekularer Ebene durch DFT-Rechnungen an Modellverbindungen des Typs H3SiOH•••A (A = Akzeptormolekül) abschätzen und das Auftreten von kooperativen Wasserstoffbrückenbindungen konnte nachgewiesen werden.
Die Inkorporation von chiralen Substituenten, wie z. B. Champerresten, in Phosphinsäuren erlaubt die Beobachtung von helikalen Wasserstoffbrückenbindungsmotiven. Der Drehsinn der Helix hängt dabei von der Konfiguration der chiralen Substitutenten ab.
Publikationen
J. Beckmann, A. Duthie, G. Reeske, M. Schürmann
1,3,5-Tris(diorganohydroxosilyl)benzenes. Novel Building Blocks in Supramolecular Silanol Chemistry.
Organometallics 2004, 23, 4630-4635.
J. Beckmann, A. Duthie G. Reeske M. Schürmann
Incorporation of Group 14 Elements into Siloxane-Bridged Paracyclophanes cyclo-[p,p'-Me2SiC6H4EMe2C6H4SiMe2O]2 (E = C, Si, Ge, Sn).
Organometallics 2005, 24, 3629-3633.
J. Beckmann, S. L. Jänicke
Supramolecular Silanol Chemistry. Co-Crystals of 1,3,5-Tris(diisopropylhydroxysilyl)benzene and 4,4’-Bis(pyridines). Eur. J. Inorg. Chem. 2006, 17, 3305-3540.
J. Beckmann, S. Grabowsky
Supramolecular Silanol Chemistry in the Gas Phase. Topological (AIM) and NBO Analyses of Hydrogen-Bonded Complexes between H3SiOH and Selected O– and N–Acceptor Molecules.
J. Phys. Chem. A 2007, 111, 2011-2019.
Chiralität
Synthese und Anwendungen von chiralen Hauptgruppenverbindungen
Die Übertragung chiraler Informationen ist sowohl in der organischen Synthese als auch in biologischen Systemen von großer Wichtigkeit. Ein gegenwärtiges Anliegen unserer Forschung ist die Synthese von Organoelementverbindungen ausgehend von natürlich vorkommenden Terpenen sowie deren Einsatz in der Synthese und in den Materialwissenschaften. Monoterpene eignen sich besonders für den Einsatz, da sie enantiomerenrein und kostengünstig sind und über verschiedene funktionelle Gruppen und mindestens zwei Chiralitätszentren verfügen, die diastereoselektive Umsetzungen möglich machen.
Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die übergangsmetallkatalysierte Hydrosilylierung von 2-Methylenbornan mit HSiMeCl2 mit anschließender Oxidation der Si-C-Bindung komplementäre Produkte zur oxidativen Hydroborierung hervorbringt. Beide Reaktionen liefern ausschließlich Anti-Markovnikov-Produkte, jedoch unterscheiden sich die entstehenden Alkohole in der Konfiguration eines Kohlenstoffatoms. Während die oxidative Hydrosilylierung bevorzugt den endo-Alkohol (endo:exo = 95:5) hervorbringt, entsteht bei der oxidativen Hydroborierung hauptsächlich der exo-Alkohol (endo:exo = 5:95). Die umgekehrten Diastereoselektivitäten erlauben Rückschlüsse auf den Mechanismus der Hydrometallierungen.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit chiralen Grignardreagenzien, deren Direktsynthese ausgehend von halogenierten Kohlenwasserstoffen über Einelektronentransferprozesse an der Mg-Oberfläche abläuft. Dadurch geht jedwede chirale Information am α-C-Atom verloren. Enthält der halogenierte Kohlenwasserstoff – wie im Falle viele Monoterpene – mehrere Chiralitätszentren besteht das Grignardreagenz aus einer epimeren Mischung von Diastereomeren. Wir haben kürzlich festgestellt, dass die Reaktivität der diastereomeren Komponenten im Falle des Menthylgrignardreagenzes hinreichend unterschiedlich ist und durch die geschickte Wahl der Reaktionsbedingungen enantiomerenreine Organozinnverbindungen hergestellt werden können.
Publikationen
J. Beckmann, D. Dakternieks, A. Duthie, S. L. Floate, R. C. Foitzik, C. H. Schiesser
Chiral Organochlorosilanes Derived from Terpenes. Diastereoselective Hydrosilylation of Methylene Bicyclo[2.2.1]heptanes with HSiMenCl3–n (n = 0 - 2).
J. Organomet. Chem. 2004, 689, 909-916.
J. Beckmann, D. Dakternieks, A. Duthie
The First Dimeric Triorganotin Fluoride: Stabilisation by Unsymmetrically Orientated Menthyl Substituents. Organometallics 2005, 24, 773-776.
J. Beckmann, D. Dakternieks, M. Dräger, A. Duthie
New Insights into the Classic Chiral Grignard Reagent [1R,2S,5R]-MenthylMgCl.
Angew. Chem. Int. Ed. 2006, 45, 6509-6512.