Am 5. Dezember 2024 organisierte die AG Politische Theorie an der Uni Bremen eine ganz besondere Veranstaltung: Christian Leonhardt las im Rahmen eines Book Launches aus seiner bei Campus erschienenen und frisch gedruckten Dissertation „Szenen des Politischen. Radikale Demokratie und aktivistische Theorieproduktion“ vor. Passend zum kreativen Eigensinn der Monographie begann der Abend mit einem Ausschnitt aus Monty Python’s „Bicycle Repair Man“. Dieser ist in einer Gesellschaft der Super-Men der wahre Held, wenn er gebrochene Achsen richtet, Schläuche flickt und – glaubt man dem vermeintlich neutralen, auktorialen Erzähler – die Welt vor dem Kommunismus rettet, bevor er wieder im Alltag verschwindet. Der Sketch wird in Leonhardts Buch zur Metapher für eine liberale politische Theorie, die radikal-demokratische, widerständige Akte ebenso wie das Fahrradreparieren gerne auf punktuell heroische Einsätze reduziert, aber niemals auf die Idee käme, am Ideal der Super-Men zu rütteln und sie zu fragen, ob sie nicht lieber lernen wollten, ihre Fahrräder/Demokratien selbst zu flicken?
So vergnüglich wie konstruktiv-kritisch ging der Abend bei schummrigem Licht und gemütlicher Atmosphäre im sonst so kühlen GW2 weiter. Nach einleitenden, persönlichen Worten der Moderatorin Carolin Zieringer, folgten Würdigungen der Gutachter*innen der Arbeit, Martin Nonhoff und Franziska Martinsen.
Herzstück der Veranstaltung war Christian Leonhardts Kurzzusammenfassung der zentralen These des Buches – es gibt in der Demokratietheorie liberale und anarchistische Intuitionen und nur letztere ist fähig, auch aktivistische Theorieproduktion ernst zu nehmen – gefolgt von seiner Lesung des Buchkapitels „Die politische Seduktion der Farben“. Hier ist es der Maler Zinnober (aus der gleichnamigen Kindergeschichte von Margret Rettich), der sich mit seinen bunten und fantasievollen Bildern an der rußigen Gesellschaft der grauen Stadt abarbeitet. Es ist dabei nicht der rationale und argumentative Diskurs, der zu einem Umdenken bei Zinnobers Mitbürger*innen führt und sie die Stadt bunt anmalen lässt, sondern Zinnober erschafft einen Raum der Erfahrung, in den er sie einlädt und sie die Beziehung zu sich, zu Farben, zu ihrer Umgebung und anderen neu erfahren und denken lässt. Hierzu befragt Leonhardt die Kindergeschichte sowohl nach ihren radikaldemokratischen Affinitäten als auch nach den Grenzen einer solchen „Politik der Seduktion“.
Gemeinsam mit dem Ehrengast Mareike Gebhardt und dem Publikum ging es dann in die Diskussion: Welche Rolle spielt Methodologie für die politische Theorie? In welchem Verhältnis stehen akademische und aktivistische Theorieproduktion? Was sind weitere „Szenen des Politischen“? waren Fragen, die noch weit in die Nacht hinein bei Wein und Knabberzeug angeregt diskutiert wurden.
Wer den Abend verpasst hat, kann das und vieles mehr nachlesen im Christian Leonhardts Buch „Szenen des Politischen. Radikale Demokratie und aktivistische Theorieproduktion“, erschienen bei Campus, 48,- € (Softcover) oder kostenlos im Open Access unter www.campus.de/e-books/wissenschaft/politikwissenschaft/szenen_des_politischen-18530.html