Filmprogramm
ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND
FILM ZU VORTRAG 1 // MI 8.5. / 20:30 Uhr
D 2011, Regie: Yasemin Şamdereli, mit Vedat Erincin, Fahri Yardim, Aylin Tezel, 101 Min.
* mit Einführung von Daniela Berghahn
Wiederholung // DO 9.5. / 18:00
Großvater Hüseyin kam als Gastarbeiter nach Deutschland. Ungefähr 40 Jahre später – seine Frau und er haben gerade die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten – verkündet er der Großfamilie, dass er ein Haus in Anatolien gekauft habe. Die ganze Familie reist nun dorthin, um das Sommerhaus zu renovieren. Auf der Reise haben alle Familienmitglieder jedoch mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen.
In leichtem Ton handelt der Film von Identitätsfragen dreier Generationen einer Einwandererfamilie. Die Arbeit der Regisseurin, die das Buch zusammen mit ihrer Schwester Nesrin Şamdereli schrieb, zeigt einen differenzierten Blick und spielt mit kulturellen Klischees ebenso wie mit Filmbezügen und Genres.
Almanya – Willkommen in Deutschland feierte 2011 seine Premiere im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele in Berlin (Berlinale) und wurde mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Pressestimmen:
»Erzählte Fatih Akin in »Solino« noch von der ersten italienischen Pizzeria im Ruhrgebiet, geht es hier um den 1.000.001sten Gastarbeiter (der junge Hüseyin wird von Fahri Yardim gespielt), der aus einem anatolischen Dorf in das Land kommt, ›wo es nur Kartoffeln gibt‹.« David Siems, epd Film
»Situations faced by Alymanya’s immigrant Turkish family may be specifically German, but at the centre of Yasemin Samdereli’s amenable drama, which she co-wrote with her sister Nesrin Samdereli, is an eloquently-expressed appeal for understanding and tolerance which shouldn’t fall on deaf ears outside its homeland.« Fionnuala Halligan, Screen Daily
»Wie heilsam kann eine Komödie sein, weil sie sich löst von den festgefahrenen Meinungen der Integrationsdebatte oder der Furcht vor Islamisten, Ehrenmorden und jugendlichen Intensivtätern muslimischen Glaubens. Der Film Almanya zeigt normale Menschen, komisch überzeichnet zwar, aber doch wahrhaftig.« Parvin Sadigh, Zeit Online
Zum Weiterlesen
Interview mit Nesrin und Yasemin Şamdereli https://www.zeit.de/kultur/film/2011-02/interview-samdereli-berlinale/komplettansicht
ETWAS TUT WEH
FILM ZU VORTRAG 2 // DO 9.5. / 14:30 Uhr
BRD 1979, Regie: Recha Jungmann, mit Simone Maul, Anja Burak, Hermann Schäfer, 72 Min.
* mit Einführung von Annette Brauerhoch
Recha Jungmann begibt sich auf eine Spurensuche in die eigene Vergangenheit in einem Dorf in der Rhön. Der assoziativ montierte Film folgt ihr in drei Altersstufen: als kleinem Mädchen, als Jugendlicher und als erwachsener Frau. Ihre Erinnerungen sprechen vom Verlust des Familienzusammenhangs und rekonstruieren gleichzeitig Familiengeschichte, indem ein längst verstorbener Großvater neu entdeckt wird.
Der Dokumentarfilm wurde letztes Jahr von der Kinothek Asta Nielsen und dem Deutschen Filminstitut zusammen mit drei weiteren Filmen von Jungmann restauriert und auf den REMAKE. Frankfurter Frauen Film Tagen wieder aufgeführt.
Pressestimmen
»ETWAS TUT WEH ist ein Film, der sich nur dem erschließt, der die Fähigkeit zur Wahrnehmung der eigenen Erinnerung nicht verloren hat.« Martina Borger, Filmbeobachter
»Etwas tut weh ist ein Film, der die fünf Sinne sanft und beharrliche reizt, die dem Körper eingeschriebene Geschichte politisch zu begreifen.« Karsten Witte
Zum Digitalisierungsprojekt http://www.remake-festival.de/publiziertrestauriert/restaurierung/
Trailer https://vimeo.com/298687582
FAMILIENGRUFT – LIEBESGEDICHT AN MEINE MUTTER
VORFILM // DO 9.5. / 14:30 Uhr
BRD 1981/82, Regie: Maria Lang, 12 Min., 16mm
Maria Langs Film, der in ihrem ersten Studienjahr an der dffb entstand, ist eine Porträtskizze ihrer Eltern. Über die Darstellung der Männer, um die sich das Leben der Frauen dreht, erzählt die Filmemacherin von den Frauen in ihrer Familie. Lang: „Ich rede über die Sprachlosigkeit, die Mauern, die Liebe, die Verachtung.“ Familiengruft und Etwas tut weh beschäftigen sich mit dem Exponieren weiblicher Erfahrungen in Familienstrukturen als repressiven Lebenszusammenhängen.
Das Anliegen der frauenbewegten Autorinnen offenbart sich jeweils in der Auseinandersetzung mit filmischen Formen, die andere Zeitlichkeiten und Räume schaffen.
Familiensache(n)
Kommentiertes Filmkunstprogramm // DO 9.5. / 20:00 Uhr
„Familiensache“ bezeichnet im deutschen Zivilrecht eine Reihe von Streitsachen, die u.a. Ehe und Haushalt sowie auch den Versorgungsausgleich betreffen. Aus eigentlich innerfamiliären Wertvorstellungen werden also Familienstreitsachen; der sonst zugehörigkeitsversprechende und identitätsstiftende Familienbegriff wird gründlich umgepolt. Die Familie erweist sich hier als potentielles Konfliktmodell, das dem Versprechen eines schützenden Privatbereichs nicht gerecht wird.
Die ausgewählten Kurzfilm- und Videobeiträge aus über fünf Jahrzehnten nehmen allesamt auf je unterschiedliche Weise ebenso vertrauliche enge Verhältnisse als Ausgangspunkt und Motor einer Narration, die uns das Behagen wie das Unbehagen von Familienrelationen nicht vorenthält. So erweist sich die (Re-)Artikulation innerfamiliärer Werte, dramaturgisch potenziert, als Reartikulation ihrer Funktionen im gesellschaftlichen Leben.
Gerade der familiäre Haushalt und die herkömmlich darin implizierte Arbeitsteilung im Häuslichkeitskult der 1950er-Jahre, wie sie der US-Lehrfilm A Date with Your Family beschwört, werden in Julian Rosefeldts Manifesto-Szene „Conservative Mother“ kontrapunktisch mit Claes Oldenburgs Pop-Art-Manifest konfrontiert und somit konterkariert. Und in Vanalyne Greens Trick or Drink wird die für die Bildung und Entwicklung der Familienordnung notwendige Abschirmung nach Außen zum Auslöser kompulsiv-süchtigen Verhaltens. Auch wenn bisweilen parodistisch auf den Kopf gestellt (Klara Lidéns Ohyra, Chantal Akermans Family Business) bleibt die Kernfamilie als primäres Zugehörigkeitsmodell in solchen Konstruktionen bestehen (Miranda Julys Atlanta, Cheryl Dunyes An Untitled Portrait, Eli Cortiñas' Quella che cammina). Zugleich wird sie zum Hauptelement, das sein grundsätzliches Konfliktpotential bildlich und dialogisch in verhängnisvolle Narrative perpetuiert.
Elena Zanichelli ist Juniorprofessorin für Kunstwissenschaft und Ästhetische Theorie an der Universität Bremen und Mitglied am Mariann Steegmann Institut. Kunst & Gender. Zuletzt kuratierte sie die Ausstellung „Women in Fluxus and Other Experimental Tales“ (Palazzo Magnani, Reggio Emilia 2013).
Die Filme:
| A DATE WITH YOUR FAMILY USA 1950, Edward G. Simmel, b/w, 10 Min., OmengU
| MANIFESTO (Conservative Mother Scene) D 2015, Julian Rosefeldt, col., 10:30 Min., OV
| TRICK OR DRINK USA 1984, Vanalyne Green, col., 20 Min., OV
| AN UNTITLED PORTRAIT USA 1993, Cheryl Dunye, col. / b/w, 3 Min., OV
| ATLANTA USA 1997, Miranda July, col., 10 Min., OV
| FAMILY BUSINESS GB 1984, Chantal Akerman, col., 18 Min., OV
| QUELLA CHE CAMMINA / THE ONE WHO WALKS E 2014, Eli Cortiñas, col., 9:30 Min., OmengU
| OHYRA D 2007, Klara Lidén, b/w, 4 Min., schwed. OmengU
Präsentiert in der Reihe Queering University an der Universität Bremen. Weitere Veranstaltungen unter www.uni-bremen.de/diversity
LA PIVELLINA
FILM ZU FORUM 1B // FR 10.5. / 14:30 Uhr
Little Girl, I/A 2009, Regie: Tizza Covi und Rainer Frimmel, mit Patrizia Gerardi, 100 Min., OmU, 35mm
* mit Einführung von Loreta Gandolfi
Wiederholung // SO 12.5. / 18:00 // MO 13.5. / 20:30
Patti findet die ausgesetzte Asia auf einem Spielplatz. Statt sie zur Polizei zu bringen, nimmt sie die Zweijährige mit nach Hause in ihren Wohnwagen, wo sie mit einem kleinen Zirkus lebt. Asia wird in der Wahlfamilie des Zirkus warmherzig aufgenommen, doch stets bleibt die Angst, dass sie wieder getrennt werden. Covi und Frimmel verorten ihren Film zwischen Dokumentation und Fiktion. So entsteht mit Schauspieler*innen, die sich selbst spielen, und improvisierten Szenen mit einer Handkamera ein Film voll zauberhafter Alltäglichkeit.
Loreta Gandolfi untersucht das Verhältnis von Kinderfiguren im Film und familiären und nationalen Identitätsbestimmungen.
Pressestimmen
»Working with actual circus people — and even living with them during the shoot — Ms. Covi (who also wrote the screenplay) and Mr. Frimmel (who wielded the hand-held camera) have painted a grittily evocative portrait of outsider lives. Unhindered by a lack of musical score, professional actors or even a real plot, the filmmakers conjure a close-knit community where survival is fragile, and suspicion of the law is the norm.« Jeannette Catsoulis, New York Times
»La Pivellina ist eine echte kleine Entdeckung mit großem Herzen.« Joachim Kurz, Kino-Zeit
Interview mit Tizza Covi und Rainer Frimmel https://ray-magazin.at/la-pivellina-ein-gespraech-mit-tizza-covi-und-rainer-frimmel/
STORIES WE TELL
FILM ZU FORUM 2 // FR 10.5. / 20:30 Uhr
CDN 2012, Regie: Sarah Polley, mit Michael Polley, Harry Gulkin, 108 Min., engl. OmU
* mit Einführung von Babylonia Constantinides
Wiederholung // DI 14.5. + SA–SO 18.–19.5. / 20:00
„Can you tell the whole story?“ Mit diesen Worten bittet Schauspielerin und Regisseurin Sarah Polley ihren Vater, ihre Geschwister und Freunde, von ihrer Mutter zu erzählen, die starb, als Polley elf Jahre alt war. Daraus schafft sie einen Film, der aus Interviews, alten Super-8-Aufnahmen der Familie und nachgespielten Szenen besteht. Die Ehe ihrer Eltern wie auch Geheimnisse der Familie werden so erkundet.
Jede*r der „Storyteller“ hat einen ganz eigenen Blick auf die Geschichte und so zeigt sich, dass Erinnerungen vage sind und Wahrheit davon abhängt, wer sie erzählt.
Babylonia Constantinides beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit der filmischen Aneignung von Found Footage in autobiografischen Filmen.
Pressestimmen
»Umso mehr verstärkt Stories We Tell deshalb wohl auch regelrechte Entzugserscheinungen; das Gefühl, über den Film Teil einer neuen Familie zu sein und eine Heimat gefunden zu haben, die besser ist als die bisherige; eine, die man nicht mehr missen möchte. Mehr noch, als der vibrierende, atemberaubende Subtext dieses zärtlichen, verstörenden, wunderschönen Films auch deutlich macht, dass erst das Sprechen miteinander, das Geschichten erzählen und das vorurteilsfreie Zuhören und Zulassen dieser Geschichten uns zu besseren Menschen macht.« Axel Timo Purr, artechock
»Sarah Polley reveals more about herself than she may have realised in this complex documentary love-letter to her parents« Peter Bradshaw, The Guardian
»Beeindruckend an diesem Film ist vor allem, dass Polley sich selbst als trickreiche Erzählerin erweist. Sie beginnt damit, ein normales Erinnerungsportrait ihrer Familie zu entwickeln und lässt den Zuschauer erst nach und nach erahnen, dass es um viel mehr geht.« David Segler, Frankfurter Rundschau
Interview mit Sarah Polley https://www.youtube.com/watch?v=fqBe1DSY1Vc
UNDER THE SHADOW
FILM ZU FORUM 3 // FR 10.5. / 22:30 Uhr
GB/KAT/JOR 2016, Regie: Babak Anvari, mit Avin Manshadi und Narges Rashidi, 84 Min., farsi OmengU
* mit Einführung von Janna Heine
Shideh wird aus politischen Gründen das Medizinstudium verwehrt. Während ihr Mann, selbst Arzt, zum Militärdienst einberufen wird, ist sie inmitten des Iran-Irak-Kriegs allein mit der gemeinsamen Tochter Dorsa an ihre Wohnung in Teheran gebunden. Mit den irakischen Raketen fallen auch böse Geister ins Heim ein: Ein weiblicher Dschinn im wallenden Tschador will Dorsa holen. In Sundance gefeiert, verknüpft Babak Anvaris Debutfilm intelligent Erzählungen der persischen Mythologie mit politischer Zeitgeschichte, die bis heute die Gesellschaft und Familienmodelle prägen.
Janna Heines Vortrag zeichnet an dem ersten Haunted-House-Horrorfilm im Iran die Bedrohung familiärer Souveränität durch das islamische Regime nach.
Pressestimmen
»Under the Shadow lugt mit blinzelndem Auge in das subversive Leben iranischer Frauen.« Jonas Gröne, Filmverliebt
»Under its scares, Under the Shadow serves as an impassioned allegory for female oppression – but Anvari doesn’t shortchange horror fans. He delivers an entertainment that’s fun to watch, and subversively incisive for those willing to read between the lines.« Nigel M. Smith, The Guardian
»The two leads, Rashidi and Manshadi, create a relationship prickling with tension and impatience, exploding into mutual rage and suspicion. It is amazing to consider that this is Manshadi's debut.« Sheila O’Malley, Rogerebert.com
Interview mit Babak Anvari https://www.eyeforfilm.co.uk/feature/2016-03-03-babak-anvari-interview-about-under-the-shadow-feature-story-by-amber-wilkinson
DAS UNMÖGLICHE BILD
FILM & GAST // SA 11.5. / 14:00 Uhr
D/A 2016, Regie: Sandra Wollner, mit Jana McKinnon und David Jakob, 69 Min.
* mit anschließendem Gespräch mit Sandra Wollner
Mit der Super-8-Kamera ihres Vaters filmt die 13-jährige Johanna das Leben ihrer Familie in der Wiener Vorstadt um 1958. Unerwartet geben ihre Aufnahmen die Geheimnisse der Welt preis, in die sie geboren wurde: Großvaters Erinnerungen an die „gute Zeit“ bei der Wehrmacht und die Besucherinnen von Großmutter Marias ominösen Kochclub – hinter verschlossener Tür. Im Home-Movie-Format werden wir in eine Zeit versetzt, an die wir uns mit schnell verklärenden Familienaufnahmen und konstruierten Bildern erinnern. Wollners Filmstudie lotet aus, wie sich Amateurfilm-Ästhetik zur Fiktionalisierung von Familienvorstellungen verhält. Die Familiengeschichte aus dem persönlichen Blick einer heranwachsenden Frau überträgt sich dabei auf eine Kollektivgeschichte des Nachkriegsösterreichs.
Sandra Wollner studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Regie für Dokumentarfilm und ist als Cutterin und Regisseurin tätig. Das unmögliche Bild ist ihr Langspielfilmdebut, für das sie u.a. den Ingmar-Bergman-Debut-Preis in Göteborg erhielt.
Statement
»Wenn ich Situationen meiner Kindheit erinnere, sind diese Erinnerungen eine Kette an Bildern, die ich aneinanderreihen kann. Ob ich sie tatsächlich erlebt habe oder ob sie mir nur gezeigt oder erzählt wurden, kann ich dabei nicht immer nachvollziehen. Es sind Familienbilder, die stets nur den Bruchteil einer Wahrheit zeigen, Bilder, die Feste und Alltäglichkeiten festhalten und die - teilweise unmerklich - zum Rückgrat unserer Erinnerungen werden, sie allmählich sogar komplett ersetzen können.« Sandra Wollner über Das unmögliche Bild .
Pressestimmen
»Einer der diesjährigen Festivalhits!« Screen Daily
»Das Unmögliche Bild ist eine surreale Dokumentation einer realen Familie, ein Versuch, die Wahrnehmung einer Heranwachsenden in der Nachkriegszeit im Film zu stilisieren. Unewohnte Nähe und gleichzeitige Distanz machen den Film zu einer Herausforderung für den Zuschauer und für seine Gedanken, die sich immer wieder in der Intimität und Echtheit der Aufnahmen verirren – von familiärer Wärme verführt, von Paranoia geplagt.« Friedrich Kühne, Spex
Interviews mit Sandra Wollner https://www.deutschlandfunkkultur.de/sandra-wollner-ueber-das-unmoegliche-bild-das-unwirkliche.2168.de.html?dram:article_id=417278
STO SPITI – AT HOME
FILM ZU FORUM 3 // SA 11.5. / 18:00 Uhr
GR/D 2014, Regie: Athanasios Karanikolas, mit Maria Kallimani, Marisha Triantafyllidou, 103 Min., OmU
* mit Einführung von Julian Jochmaring
Nadia, eine georgische Migrantin, ist schon so lange Haushälterin einer wohlhabenden Familie, dass sie beinahe ein Familienmitglied ist. Doch als bei ihr eine Krankheit diagnostiziert wird und die Familie zudem in finanzielle Schwierigkeiten gerät, wird sie kurzerhand entlassen. Diesen Vertrauensbruch erträgt Nadia mit stoischer Ruhe.
Ebenso zurückhaltend inszeniert Regisseur Karanikolas die Geschehnisse kühl und distanziert. In Form des emotionalen Verrats erzählt der Film, der der Greek New Wave zuzuordnen ist und im Berlinale Forum 2014 Premiere feierte, von den Folgen der europäischen Finanzkrise auf persönlichem, familiärem Niveau.
Julian Jochmaring untersucht die Inszenierung von Scheitern und Gelingen familiärer Sorgegemeinschaften und fokussiert dabei das Verhältnis weiblicher Arbeitskräfte zum Modell der Kernfamilie.
Pressestimmen
»Eine reine Seele hat Regisseur Karanikolas da entworfen, die um Zugehörigkeit und Harmonie willen alles verzeiht. Womit er vermutlich die Zustände in der griechischen Wirtschaftskrise trefflich skizziert: Die Schwächsten, also Immigranten in prekären Jobs, trifft es am schnellsten und härtesten.« Anne-Katrin Müller, kunstundfilm.de
»›Sto Spiti‹ ist mehr als das Drama zur Griechenlandpleite. Er erforscht am Beispiel einer widerrechtlich entlassenen Haushälterin die Mechanismen subtiler Machtausübung.« Julia Dettke, Die Zeit
»At Home gives a new twist to a story about employee rights, and comes together in the end when the characters part ways.« Colette de Castro, East European Film Bulletin
Interview mit der Hauptdarstellerin Maria Kallimani http://filmiconjournal.com/blog/post/29/resisting-differently-maria-kallimani
Filmgespräch mit Athanasios Karanikolas https://www.youtube.com/watch?v=lCCJmv4XIv4
WEIBLICHE JUNGGESELLEN
STUMMFILM + X // SA 11.5. / 20:30 Uhr
Norrtullsligan, S 1923, Regie: Per Lindberg, mit Tora Teje, Inga Tidblad, 86 Min., tinted, stumm, engl. Zwischentitel
* mit Live-Musikbegleitung von RØD
Pegg, Emmy, Baby und Eva sind vier weibliche Büroangestellte, die in einer Wohngemeinschaft leben. Diese Wahlfamilie bietet ihnen solidarische Unterstützung gegenüber chauvinistischen Vermietern, Chefs und auch gegenüber tatsächlichen Familienangehörigen. So gelingt es den Frauen, ihre Unabhängigkeit zu behaupten. Die präzise und ungewöhnlich modern anmutende Sozialschilderung thematisiert Verhältnisse, wie sie leider heute noch üblich sind: sexuelle Belästigung, Vorurteile gegenüber Alleinerziehenden und Lohndiskriminierung. Die dennoch komödiantische Stimmung des Films drückt sich in der selbstironischen, lakonischen Erzählstimme einer der jungen Frauen in den Zwischentiteln aus, die wiederum wörtlich aus der Romanvorlage von Elin Wägner stammen.
RØD ist als DJ und Producer tätig und macht sich in der Hamburger und Bremer Musikszene einen Namen. Fernab angepasster Tanzbeats experimentiert er an den Grenzen von House und Techno.
Präsentiert in der Reihe Queering Universityan der Universität Bremen. Weitere Veranstaltungen unter www.uni-bremen.de/diversity
Pressestimmen
»Dieser außerordentlich sehenswerte schwedische Film schildert das trübe, arme Leben jener Hunderttausende von Mädchen, die Tag für Tag zur selben Stunde unausgeschlafen in die Kontore und Geschäfte hetzen müssen, ihre Jugend hinter Schreibmaschinen und Ladentischen für geringstes Entgelt opfern, eine Beute den Männern, früh sich ausgebend oder mickrig dahinwelkend. […] Welch ein Mut, solcherlei ohne irgendwie eine spannende Handlung zu zeigen; welch ein Können, dies mit feinstem Sinn für Menschlichkeit, für gute Bilder, für zarteste Stimmungen sechs Akte durchzuführen, ohne zu langweilen.« Kurt Pinthus, Das Tage-Buch, Berlin, 14. Juni 1924
»Durchgängig ist es die Selbstironie dieser Figur, sind es die sehr literarischen Zwischentitel, die NORRTULLSLIGAN zu einer Entdeckung machen. Die schönste Szene zeigt die Frauen wie bei einem Defilee vor dem Chef – es ist der Moment, in dem sie als Rädelsführerinnen eines Streiks entlassen werden. Jede Einzelne tritt noch einmal vor den Boss und lacht ihm schnippisch ins Gesicht. Sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.« Bert Rebhandl
»[T]he film manages a rare double feat. It depicts the quotidian rhythms of their lives as worthy of being filmed and discussed separate from possible sexual intrigue. Yet it also shows how the conditions of that intrigue, not to mention their persistent suitors, are not an exciting intervention into the daily grind but rather an imposition upon the women, a seemingly unavoidable element of the intersection of poverty and gender.« Evan Calder Williams, Film Quarterly 2014, 68:1
WHAT WE DO IN THE SHADOWS
SPÄTFILM // SA 11.5. / 22:30 Uhr
5 Zimmer Küche Sarg, NZ 2014, Regie: Jemaine Clement und Taika Waititi, mit Jonny Brugh, 82 Min., OmU
Viago und seine Vampir-Mitbewohner müssen sich mit den Anforderungen des modernen Lebens herumschlagen: Monatsmieten, Putzplänen, Türstehern und neuen Mitbewohnern. Die Horror-Mockumentary thematisiert das voyeuristische Interesse an der Zurschaustellung des Privaten wie auch des Außenseitertums. Gleichzeitig spiegeln die Filmemacher ihre Erfahrungen mit einer Männer-WG, deren Abhängigkeiten darin und der Unendlichkeit von ungespültem Geschirr.
Pressestimmen
»Grandiose Vampir-Mockumentary« Martin Gobbin, critic.de
»Die Blutsauger haben dieselben Probleme wie alle anderen auch. Nur eben in blutig. Und mit etwas mehr Hintergrundgeschichte. Das führt neben den skurillenen Szenen und Dialogen obendrein zu ein paar netten Zitaten an Klassiker der Vampirfilme.« Aurelia Brandenburg, Geekgeflüster
»So many comedies are adoringly billed as ›dark‹, forgetting the ancient showbusiness maxim, ›dark is easy; funny is hard‹. Fortunately, this mockumentary from New Zealand succeeds in being both.« Peter Bradshaw, The Guardian
»Wer eine große Packung schwarzen und albernen Humors zu schätzen weiß, ist hier gut aufgehoben.« Horrormagazin
Filmbesprechung bei Nerdkino https://vimeo.com/173148973
MEIN LEBEN ALS ZUCCHINI
FAMILIENKINO // SO 12.5. / 16:00 Uhr
Ma vie de courgette, F/CH 2016, Regie: Claude Barras, 66 Min., DF
* mit action&fun! im Anschluss
Als der kleine „Zucchini“ ins Heim von Madam Papineau kommt, fällt es ihm nicht leicht, mit den anderen Kindern zu leben. Er vermisst seine Mama und wird geärgert. Dann stößt Camille zu der Truppe, in die sich Zucchini prompt verliebt. Aber Camilles hinterhältige Tante will sie zu sich holen. Zucchini und seine Freunde müssen sich einen Plan ausdenken, um das zu verhindern. Basierend auf Gilles Paris’ Roman »Autobiografie einer Pflaume«, bietet der Trickfilm Kindern einen leichten Zugang zu den Themen Elternverlust und Heimerfahrungen.
Pressestimmen
»Dass der Regisseur Barras und seine 60 Animateure ihre Puppen liebevoll aus dem kneteähnlichen Kunststoff Play-Doh bastelten, […] darf den Zuschauer nicht auf die falsche Fährte locken. ›Mein Leben als Zucchini‹ ist mit all seiner Dramatik, seinen Schicksalen […] mehr als ein Kinderfilm, der leidgeprüften Kindern in ähnlichen Situationen helfen könnte.« Jenni Zylka, Spiegel Online
»Bei einem gemeinsamen Ausflug in die winterlichen Berge wird ein Tanzabend veranstaltet, und dazu spielt der im Original französischsprachige Film ein deutsches Lied ein: ›Eisbär‹ von Grauzone aus den frühen achtziger Jahren. Trickfilmkinder tanzen zur Neuen Deutschen Welle, und die ironische Tristesse des Textes passt perfekt zur Stimmung der Szene. Was hat Sciamma für ein Gespür!« Andreas Platthaus, FAZ
»Hier geht es nicht um Action oder Gags, sondern um das echte Leben. Um Kinder, die sich von ihren Eltern im Stich gelassen fühlen. Und die erst lernen müssen, wie es sich anfühlt, wenn man von jemandem so geliebt wird, wie man ist.« KinderFilmWelt
»Mit unglaublicher Detailliebe wurde die Welt des Stop Motion-Animationsfilms zum Leben erweckt. Inhaltlich gelingt es, schwere Themen leichtverdaulich zu präsentieren und trotz deutlicher Tonwechsel nie uneben zu erscheinen. Auf diese Art hat sich der Film zu einem echten Geheimtipp entwickelt, der wahrlich Unterhaltung für die ganze Familie bietet.« Leinwandreporter
Making-Of Featurette https://www.youtube.com/watch?v=EnBK9I_eyuY
A FAMILY AFFAIR
FILM // SO 12.5. / 20:30 Uhr
NL/DK 2015, Regie: Tom Fassaert, mit Marianne Hertz, 115 Min., holl. OmengU
Wiederholung // DI 14.5. / 18:00
Als ihn seine 95-jährige Großmutter nach Südafrika einlädt, kennt Tom Fassaert (Der Engel von Doel) sie nur aus den Erzählungen seines Vaters: als Femme Fatale der 1950er, die ihre zwei Söhne für ihre Model-Karriere in ein Kinderheim gab. Er trifft auf eine unbeschwerte, jung gebliebene Frau voller Esprit, die er mit den Folgen ihrer Entscheidungen konfrontieren will. Wie in Stories We Tell wird die Familiengeschichte anhand einer weiblichen Figur erkundet und brilliert mit der emotionalen Wucht seiner Erzählung über die universelle Erfahrung innerfamiliärer Konflikte über Generationen hinweg.
»One of 10 Documakers to Watch« Variety
»Ein sehr privater Film über die Tabus und Obsessionen unserer Zeit.« Jan Sebening, DOK.fest München
»A Masterpiece story« Ulrich Seidl
»Sometimes a film will inspire me so much I will take a train to another country—staying with a friend for the night—just to have a conversation with the director for a couple hours in the station. […] It is the kind of documentary I love: a journey structured like a fiction film using genre techniques, in this case, the suspense plot, rhythm and energy of a detective flick.« Katrin Badt, HuffPost
»A FAMILY AFFAIR ist eine einmalige, aus intimen Familiengesprächen und faszinierenden Archivaufnahmen zusammengesetzte Zeitreise durch die Geschichte einer dysfunktionalen europäischen Familie.« Zürich Film Festival
»Beautifully edited by Claudio Hughes to convey the piecemeal structure of a family scrapbook […] ›A Family Affair‹ is both an anguished plea for information and a moving acceptance of the things it cannot change.« Guy Lodge, Variety
Interview mit Tom Fassaert https://www.youtube.com/watch?v=u1EZk8jbjsY