Auf einem kleinen Wall zwischen Uni-Bad und SFG liegen große bemalte Betonplatten. Die Farben auf den 21 x 3 Metern großen Platten sind verblasst, die Motive kaum noch zu erkennen. In diesem Frühjahr soll das Kunstwerk restauriert werden. Was ist darauf eigentlich zu sehen? Was bedeuteten sie für die Uni? "Das Werk ist losgelöst von seiner Geschichte nicht mehr zu verstehen“, sagt Sigrid Dauks, Leiterin des Uni-Archivs, die sich mit anderen um den Erhalt des Werkes bemüht.
Militärputsch in Chile
Die Geschichte beginnt in Chile: Nach dem Militärputsch gegen die sozialistische Regierung im September 1973 folgten Verhaftungen, Folter und die Ermordung chilenischer Oppositioneller. Schnell solidarisierte sich Bremen mit den Opfern der Militärjunta. An der Uni fanden chilenische Wissenschaftler Exil. Während einer Solidaritätswoche im Juni 1976 schuf die exil-chilenische Künstlergruppe „Brigade Luis Corvalan“ zusammen mit Kunststudierenden der Uni drei Wandbilder. Es war das erste öffentliche Auftreten der Künstler in der Bundesrepublik. Die Platten am Uni-Bad sind die Überreste dieses Murales (span. Wandmalerei).
Mahnmal gegen den Faschismus
Die Bildabfolge zeigt den Weg des chilenischen Volkes aus der Demokratie in den Faschismus. Es folgen Unterdrückung und Terror: Die Darstellung eines jüdischen Jungen im Warschauer Ghetto verweist auf den Faschismus in Deutschland. Die dritte Passage verdeutlicht, dass die Opposition nicht im Trauma verharrt: Eine suchende Hand streckt sich einer Aufbruch verkündenden starken Frauenfigur entgegen.
Das Murales hing bis 1997 am Uni-Boulevard zwischen dem GW2, MZH und dem damaligen Studentenhaus in 25 Metern Höhe. Im Zuge weiterer Umbauten auf dem Campus wurden die Platten abgenommen und am jetzigen Ort abgelegt. Zuvor waren sie 21 Jahre lang ein von Weitem sichtbares Mahnmal gegen den Faschismus.
Ein Stück Uni-Geschichte erhalten
In dem Film „Von Marx zu Darwin: Universität Bremen – eine Zeitreise“ nannte Professor Michael Müller (Kulturwissenschaften) dieses Kunstwerk ein „großartiges Beispiel des kollektiven Gedächtnisses“. Es ist das erste politische Werk im öffentlichen Raum an der Uni und zeugt von der vorherrschenden Atmosphäre in den 1970ern. Sigrid Dauks bestätigt: „Das Wandbild steht symbolhaft für die Unterstützung und Solidarität sowohl der Uni mit den chilenischen Exilantinnen und Exilanten, als auch von weiten Teilen der bremischen Politik und Gesellschaft.“
Heute, 37 Jahre nach der Entstehung des Murales an der Uni, ist es dem Verfall ausgesetzt. Das Uni-Archiv bemüht sich seit mehreren Jahren um die Wiederherstellung des Murales. Jetzt hat die Stiftung „Wohnliche Stadt“ 20.000 Euro für die Restauration bewilligt. Nur die Umsetzung ist noch unklar: Am derzeitigen Ort und in der jetzigen Position würden sich die restaurierten Farben nicht lange halten. Jeder andere Platz erfordert eine große Fläche und einen massiven tragfähigen Sockel. In diesem Herbst jährt sich der Militärputsch zum 40. Mal. Viele haben die Hoffnung, dass das Wandbild als ein Stück erhaltenswerte Uni-Geschichte möglichst bald aus dem Dornröschenschlaf zurück ins bunte Uni-Leben gebracht werden kann.