(AKAD25) Die Kunstavantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts - Kunst- und Literaturgeschichte der Moderne 9

Das revolutionär Neue der Kunstgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren, vorbereitet vom analytischen Kubismus (ab 1907), die ersten abstrakten und gegenstandslosen Bilder, wie sie nach 1910 zahlreich entstanden. Diese neue nicht mimetische Kunst stellte einen Wechsel dar von der Gegenstandsabhängigkeit zur Autonomie der Kunst und wurde als Befreiung empfunden. Kasimir Malewitsch beschreibt diesen Vorgang als „das beglückende Gefühl der befreienden Gegenstandslosigkeit.“ Die neue gegenstandslose Kunst kann als parallele Entwicklung zur Kritik des begrifflichen Denkens und Sprechens (im 19. Jahrhundert bei Wilhelm von Humboldt und Friedrich Nietzsche) verstanden werden.

Programmatisch für die Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts ist diese Kritik in dem fiktiven „Brief des Lord Chandos“ von Hugo von Hofmannsthal aus dem Jahre 1902 enthalten, in dem einem jungen Dichter nicht mehr möglich ist, in seiner gewohnten Sprache zu schreiben: „Es zerfiel mir alles in Teile, die Teile wieder in Teile, und nichts mehr ließ sich mit einem Begriff umspannen.“ Über eine andere neue Sprache aber, „in welcher die stummen Dinge zu mir sprechen“, verfügt er nicht. Es wäre eine Sprache, und damit endet der Brief, „von deren Worten mir auch nicht eines bekannt ist“.

Neue Sprachen anderer Art als die der gegenstandslosen Bilder haben auch die anderen Stilrichtungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschaffen: So wird in der von Pathos geprägten Kunst des Expressionismus der expressionistische „Schrei“ (Edvard Munch) zum Ausdruck des bedrückenden inneren Erlebens einer fremden Wirklichkeit („Es ist ein Weinen in der Welt“, Else Lasker-Schüler). Im Dadaismus (ab 1916) wird in den Lautgedichten (von Hugo Ball und Kurt Schwitters) die Sprache durch Entsemantisierung zerstört und zu reinen Klangmaterial umgeformt. Und im Surrealismus (ab 1924) soll durch die écriture automatique (bei André Masson und Henri Michaux) „ohne jede Kontrolle durch die Vernunft“ (André Breton) das Unbewusste im Menschen in zeichenhaften Bildern sichtbar werden.
 


Dozent:             Dr. Karl Heinz Wölke

Zeit:                   dienstags, 16:00 s.t. - 17:30 Uhr   (ab 02.04.2024)

Veranstaltungsart:   hybrid, in Präsenz (Akademie, Raum B 0660) oder wahlweise Online-Teilnahme

Hinweis:         Teilnehmerbegrenzung: 40 Personen in Präsenz

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