(ZK) Erosionskrise der Öffentlichkeit und eine zeitgemäße Antwort Eulenspiegels: Jan Böhmermanns „ZDF-Magazin Royal“

Jan Böhmermann
Jan Böhmermann

Jürgen Habermas hat 1962 in dem zu einem wissenschaftlichen Klassiker gewordenen Buch „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ belegt, wie existentiell wichtig Demokratie unterhalb der staatlichen Institutionen ist – die „vierte Macht“ der heute sog. „Medien“. Habermas spricht heute von „deliberativer Demokratie“ (Deliberation = Beratung). Damit das Volk sinnvoll politisch entscheiden und mitreden kann, muss es die Möglichkeit zur Meinungsbildung in einer pluralistischen Medienwelt haben. Viele hatten beim Hereinbrechen des russischen Krieges das Gefühl des Überfahrenwerdens. Es wurde vieles entschieden (Aufrüstung, Abschaffung des Waffenexportverbots, Waffenlieferungen), ohne dass eine „Deliberation“ stattfinden konnte. Bestenfalls wurde das in einigen Aspekten später nachgeholt.

Die Krise der Öffentlichkeit wird aber an solchen Brennpunkten nur überdeutlich und spürbar, vorhanden ist sie schon lange. Trump wäre ohne Twitter vermutlich nicht Präsident geworden. Zwitschern mag etwas Nettes sein, aber es ist keine „Deliberation“. Das Sterben der klassischen Zeitungen ist seit dem Vormarsch des www nicht aufzuhalten. Wer vor 30 Jahren dem Spiegel seine heutige Lage geschildert hätte, wäre ausgelacht worden. Dass die in den 70er Jahren aufgekommenen, kostenlos verteilten, reklamefinanzierten Zeitungen (bei uns: Weser-Report) das Omen der Zukunft der Presse darstellten, hätte damals niemand für möglich gehalten. Heute verkaufen Süddeutsche Zeitung und Zeit Wein, Kulturreisen u.a., um sich zu finanzieren. Auch die Öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten sind ihrer Existenz nach Einführung des Privatfernsehens nicht mehr sicher. Mit ihrem skandalösen Outsourcing, dem prekären Status der „freien Mitarbeiter“, die die meiste Arbeit machen, aber am wenigsten verdienen, sowie mit ihrer Selbstbedienungsmentalität in den höheren Etagen laufen sie der Kritik von rechts ins offene Messer. Söder bedient sich gern der Bildzeitung, um die Öffentlich-rechtlichen öffentlich zu kritisieren.

Wir wollen uns aber in dieser kleinen Seminarreihe nicht mit Jammern befassen, sondern mit einem der Hoffnungspflänzchen, die diese Krise auch hervorgebracht hat: dem Bremer Jan Böhmermann im ZDF. Als eine Art Schüler von Harald Schmidt hat er der late night show ein neues, politisches Gesicht gegeben, indem er das Unterhaltungsformat mit skandalorientierter, seriöser Dokumentation mischte. (Brecht definierte die Aufgabe seines Berliner Ensembles 1950 als „Skandale entfachen“.)

Im Zentrum der Sitzungen werden Sendungen von Böhmermanns ZDF-MAGAZIN ROYAL, je 30 Minuten lang, wir werden aber auch den Begriff der Öffentlichkeit im Blick halten und ein wenig in die Fernsehgeschichte schauen, die zu Böhmermann führt.
 


Dozent:  Prof. Dr. Rainer Stollmann

Termine:     5 x montags

  • 12.02., 19.02., 26.02., 04.03., 11.03.2024

Zeit:           10:00 (s.t.) bis 11:30 Uhr

Entgelt:          55,- Euro

Veranstaltungsart:      hybrid, in Präsenz (Akademie, Raum B 0770) oder wahlweise Online-Teilnahme

Hinweis:     Teilnehmerbegrenzung: 50 Personen in Präsenz

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