Vor zwei Jahren verkündete die Bundesregierung auf dem „IT-Gipfel“ in Saarbrücken das Ziel, Grundschulen bundesweit mit dem Mini-Computer (Microboard) Calliope auszustatten, um Digitale Bildung zu stärken. Die Initiative stieß nicht nur auf Zustimmung: Kritiker bezweifelten den Nutzen des Programmierunterrichts in diesen Altersstufen, aber auch die praktische Umsetzbarkeit. Um die wichtigsten Fragen zügig zu klären, gab die Telekom-Stiftung eine einjährige Explorationsstudie an der Universität Bremen in Auftrag. Beteiligt waren Prof. Dr. Lydia Murmann aus der Grundschuldidaktik Sachunterricht und die Arbeitsgruppe Digitale Medien in der Bildung (dimeb) vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI). Die Wissenschaftlerinnen haben nun ihre Ergebnisse vorgelegt: Sie bewerten das Vorhaben weit überwiegend positiv.
Praktische Einführung in die digitale Gesellschaft
„Wenn Grundschülerinnen und Grundschüler, die noch wenige Wochen zuvor kaum Erfahrungen in der Nutzung von Laptops beziehungsweise Desktop-Computern hatten, mit Erfolg eine eigene Programmieridee entwickeln und umsetzen können, dann haben sie weit mehr gelernt als die Nutzung eines neuartigen technischen Gerätes“, betonen die Autorinnen der Studie „Calliope mini – Mikrocontroller programmieren im Grundschulunterricht“. Die Schülerinnen und Schüler hätten die Erfahrung gemacht, durch Programmierung ein eigenes Vorhaben umsetzen zu können, und dabei ihre Rolle in der digitalen Gesellschaft erprobt.
Auf Seiten der Universität Bremen leiteten Professorin Lydia Murmann (Sachunterricht), Professorin Heidi Schelhowe (fächerübergreifende Medienbildung) und Dr. Iris Bockermann (fächerübergreifende Medienbildung) die Studie. Bei der Umsetzung kooperierten sie mit dem LIS - Landesinstitut für Schule und drei Bremer Grundschulen.
Motivation der Kinder sehr groß
Eine der Fragestellungen zu Beginn war, ob die Dritt- und Viertklässler schon für den Umgang mit Microcomputern bereit sind. Dies konnte schnell bejaht werden. „Die Kinder sind sehr selbstständig mit den Geräten umgegangen“, berichtet Murmann. Allerdings hätten die einzelnen Schülerinnen und Schüler zu Beginn mit ihrem Verständnis sehr weit auseinander gelegen. Eine Erkenntnis lautet daher, dass vor den Calliope-Lehreinheiten zunächst einige Grundlagen der Medienbildung erarbeitet werden müssen, beispielsweise das Prinzip von Dateien und der Speicherung von Daten.
Im Rahmen der Studie wurden mit den Lerngruppen verschiedene Anwendungen programmiert, zum Beispiel ein Hüpfzähler, eine Alarmanlage für Schachteln mit Süßigkeiten sowie der Austausch von Nachrichten über das Microboard. „Die Motivation der Kinder war im Vergleich zu anderen Fächern sehr hoch“, erklärt Schelhowe. „Wir wissen noch nicht genau, ob es an der Neuheit lag. Aber wir glauben, dass es viel mit dem praktischen Handeln zu tun hatte.“
Schnelle Einarbeitung für Lehrkräfte
Auch die Lehrerinnen und Lehrer seien – teilweise trotz geringen Vorwissens – schnell mit dem Material zurechtgekommen. Schulungen seien notwendig, müssten aber nicht aufwändig sein.
Aus Sicht der Wissenschaftlerinnen ist es auf jeden Fall sinnvoll, Schülerinnen und Schülern bereits in diesem Alter erste Einblicke in das Programmieren zu ermöglichen, damit sie ein Verständnis für ihre digitale Umwelt entwickeln. „Die Grundschule hat den Anspruch, dass Kinder dort lernen, ihre Lebenswelt zu verstehen“, so Murmann. „Dazu gehören heute digitale Anwendungen.“ Bei den Kindern zeigte sich in der Studie kein Motivationsunterschied zwischen Mädchen und Jungen. Die Wissenschaftlerinnen hoffen, dass erste Erfolgserlebnisse helfen könnten, mehr Mädchen auch für technische Themen zu begeistern.
Studie steht zum Download bereit
Die Bremer Explorationsstudie „Calliope mini – Mikrocontroller programmieren im Grundschulunterricht“ kann hier heruntergeladen werden:
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:46-00106848-17
In den kommenden Wochen wird auch eine Lehrerhandreichung mit sechs Unterrichtsmodulen (elf Doppelstunden) veröffentlicht. Sie wird in vier Sprachen erhältlich sein: Deutsch, Englisch, Portugiesisch und Russisch.