Künstliche Intelligenz erzielt mittlerweile beeindruckende Ergebnisse, aber eine wichtige Fähigkeit fehlt weiterhin: das vorausschauende Planen von Handlungen. An den Grundlagen für die Entwicklung dieser Kompetenz arbeitet TZI-Professor Michael Beetz vom Institut für Künstliche Intelligenz an der Universität Bremen – und erhält dafür jetzt den europäischen ERC Advanced Grant, der mit 2,5 Millionen Euro dotiert ist.
„Ich freue mich sehr für Michael Beetz, für sein Team und für die Universität Bremen über diese hohe Auszeichnung“, sagt Universitäts-Rektorin Professorin Jutta Günther über die Entscheidung des Europäischen Forschungsrates. „Damit wird der Forschung zu Künstlicher Intelligenz an unserer Universität erneut ihre wissenschaftlich herausragende Bedeutung bescheinigt. Ich gratuliere Michael Beetz sehr herzlich im Namen des gesamten Rektorats.“
Künstliche Intelligenz ist noch nicht wirklich intelligent
In den vergangenen Jahren haben Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zahlreiche spektakuläre Erfolge erzielt – von Siegen gegen die besten Go-Spieler der Welt über das Bestehen einer Jura-Prüfung bis zur Schaffung von erstaunlich guten Texten und Bildern. Ein Problem dabei: Die KI versteht bei all diesen Tätigkeiten noch immer nicht, was sie tut, und kann ihre Vorgehensweise nicht erklären. Ein weiteres Problem: KI stößt schnell an ihre Grenzen, sobald es um konkretes Handeln geht. Wenn ein KI-basierter Roboter beispielsweise gelernt hat, ein Glas Saft aus der Flasche in ein Glas zu kippen, ist er – im Gegensatz zum Menschen – nicht in der Lage, die Fähigkeit des Gießens spontan auf andere Gefäße und Substanzen zu übertragen. Er muss fast komplett neu lernen, den Pfannkuchenteig in die Pfanne zu schütten oder ein kleines Feuer mit einem Eimer Wasser zu löschen.
„Die Beantwortung der Frage, was unser Gehirn dazu befähigt, sehr viele verschiedene Aufgaben auf der Basis von vagen Informationen und meistens bereits beim ersten Versuch erfolgreich zu erledigen, ist eine der größten offenen wissenschaftlichen Herausforderungen“, betont Professor Michael Beetz. „In diesem Projekt wollen wir erforschen, ob die innere Vorstellung von Aktionen und deren Beobachtung mit dem ‚geistigen Auge‘ ein wichtiger Schlüssel zu einem besseren Verständnis dieser Fähigkeit ist. Neuartige Technologien, die in modernen Computerspielen eingesetzt werden, in Kombination mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und der Kognitionsforschung geben uns nun die Möglichkeit, diese Hypothese auf eine neue und vielversprechende Art zu untersuchen.“
Modell für das vorausschauende Handeln
Menschen können erlernte Fähigkeiten oft schon im ersten Versuch erfolgreich auf neue Situationen übertragen, weil sie eine Reihe von Gaben besitzen, die das Planen und Erproben einer Handlung schon im Kopf ermöglichen – meistens blitzschnell und unbewusst. Wir verstehen, warum wir den Saft nicht verschüttet haben, und wir verfügen über Intuitionen bezüglich der physischen Eigenschaften des Eimers und des Teigs. Wir können uns auch vor dem geistigen Auge vorstellen, was passiert, wenn wir den Eimer an bestimmten Stellen anfassen oder loslassen. Um auch KI-basierten Robotern diese Form der Planung zu ermöglichen, will Professor Beetz ein Modell (knowledge representation and reasing framework) entwickeln, das ihnen erlaubt, ihr Handeln und dessen Kontext zu analysieren. Dieses Modell soll ihnen darüber hinaus helfen, fehlende Informationen zur Bewältigung einer Aufgabe selbst zu beschaffen – beispielsweise die beste Art, einen Wassereimer zu greifen.
Zur Person
Professor Michael Beetz leitet das Institut für Künstliche Intelligenz an der Universität Bremen und koordiniert dort auch seit 2017 den Sonderforschungsbereich EASE (SFB 1320 Everyday Activity Science and Engineering). Darüber hinaus ist der er Sprecher des Leitthemas Everyday Activity Science and Engineering Innovation am Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Uni Bremen.
Der SFB beschäftigt sich damit, Robotern mit der Kompetenz von Menschen auszustatten, wenn es um die Bewältigung von alltäglichen Aufgaben geht. Dies wird angesichts des demografischen Wandels beispielsweise dringend benötigt, um es Menschen mit körperlichen Einschränkungen in Zukunft länger zu ermöglichen, selbstbestimmt im eigenen Zuhause zu wohnen. Sein Informatikstudium absolvierte Michael Beetz zunächst an der Universität Kaiserslautern, ehe er an der Yale University in den USA promovierte. 2019 erhielt er die Ehrendoktorwürde der schwedischen Universität Örebro für die langjährige Kooperation und die herausragende internationale Forschung. Michael Beetz setzt sich darüber hinaus intensiv für Open Research ein – die öffentliche Verfügbarmachung von wissenschaftlichen Ergebnissen, um Kooperationen zu fördern.
Der ERC Advanced Grant
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) vergibt seinen Advanced Grant an bereits anerkannte Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Für einen Zeitraum von fünf Jahren wird dabei richtungsweisende Grundlagenforschung mit maximal 2,5 Millionen Euro gefördert. Die Förderung durch einem ERC Advanced Grant soll Forschungsarbeiten ermöglichen, die mit erhöhter Ungewissheit, aber auch mit besonders hohen Chancen für die Gesellschaft verbunden sind.