Nr. 123 / 13. April 2012 SC
Eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte war der transatlantische Sklavenhandel. Im 16. Jahrhundert wurde ein ausgeklügeltes Handelsnetzwerk erschaffen, mit dessen Hilfe die europäischen Seemächte Millionen von Schwarzafrikanern in die Kolonien der Neuen Welt verschifften. Auch Bremen war an den Handelsgeschäften beteiligt. Dieser Vergangenheit gehen die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge acht und zwölf der Schulzentren Walle und Waller Ring in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen nach. Bei ihren Nachforschungen in den Museen des Bremer Umlands und im Staatsarchiv der Hansestadt ergaben sich für die Jugendlichen viele Fragen.
Wieso wissen wir heute so wenig über die Zusammenhänge des Sklavenhandels mit Bremen? Wenn einige Bremer Kaufmannsfamilien durch den Handel mit Tabak viel Geld verdient haben, und Bremer Reichtum letztlich auf dem Leid der Versklavten auf den Tabakplantagen gründet, warum steht das dann nicht in den heutigen Schulbüchern? Wieso ist die Bremer Stadtgeschichte stolz auf die internationale Rolle seiner damals modernen Zuckermanufakturen, aber kaum jemand möchte sich daran erinnern, dass ohne Sklavenarbeit kein Zucker hätte produziert werden können?
In den Tiefen des Bremer Staatsarchivs sind die Schülerinnen und Schüler dann auf die ungewöhnliche Geschichte eines im Amerika des frühen 19. Jahrhunderts geflohenen Sklaven aufmerksam geworden, der in Bremen von Bord eines Handelsschiffes ging. In den Akten fanden sie Hinweise darauf, dass er auf Anfrage seines „Besitzers“ in der Neuen Welt von der damaligen Bremer Stadtregierung als ein Stück Ladung zurückgeschifft wurde. Warum war es so wichtig, dass der Sklave wieder dorthin zurückkehren musste? Wieso konnte die freie Stadt Bremen nicht den menschlichen Willen des Versklavten respektieren und ihn ziehen lassen? An solchen Beispielen haben die Schüler begonnen, sich über Bremens Verwicklung in die transatlantische Versklavung Gedanken zu machen. Im Fokus stand dabei die Frage, wie es passieren konnte, dass kaum etwas im öffentlichen Gedächtnis erhalten geblieben ist.
Diese und andere Themen werden nun von den Schülerinnen und Schülern diskutiert und die Forschungsergebnisse ausgewertet. Professorin Sabine Broeck aus dem Gebiet African-American Studies aus dem Fachbereich der Sprach- und Literaturwissenschaften der Uni Bremen, der Historiker Christoph Wieselhuber und die Tutoren Heather Haase und Matthias Schneider bieten dabei ihre Unterstützung an. Alle Ergebnisse des mehrwöchigen Projektes der Universität Bremen und der Schulzentren Walle und Waller Ring werden auf einer dafür eingerichteten Website vorgestellt. Außerdem ist ein zweiter Durchgang, der an die gewonnenen Erkenntnisse anknüpfen wird, für das nächste Schuljahr geplant.
Das Denkwerk-Projekt wird von der Robert Bosch Stiftung mit € 28.000 gefördert und zielt darauf ab, Universität und Schule enger zu verzahnen, um Schülerinnen und Schüler an Fragestellungen und Methoden der Wissenschaft heranzuführen und für die Universität zu gewinnen.
Thorben Rybarczik
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften
Prof.Dr. Sabine Broeck
Tel. 0421 218-68130
E-Mail: broeckprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de