Nitrene sind einfach gebundene Stickstoffverbindungen und stellen eine überaus reaktive Verbindungsklasse mit typischen Lebenszeiten im Nanosekundenbereich dar. Auf Grund der Reaktivität konnten bisherige Untersuchungen nur bei sehr tiefen Temperaturen oder in Matrixumgebungen durchgeführt werden.
Das Stickstoff im Nitren besitzt zwei ungepaarte Elektronen woraus sich ein Triplett Grundzustand ergibt. Der durch die ungepaarten Elektronen hervorgerufene Paramagnetismus konnte durch EPR und SQUID Messungen nachgewiesen werden.
Die Darstellung des ersten bei Raumtemperatur stabilen Nitrens gelang dem Doktoranden Marvin Janßen aus der Arbeitsgruppe Beckmann nun durch den Einsatz eines sterisch überaus anspruchsvollen Liganden, welcher das Stickstoffatom abschirmt und so die Stabilität des Nitrens erhöht. Neben der kinetischen Stabilisierung des verwendeten Liganden erfolgt eine zusätzliche Stabilisierung durch Delokalisierung der ungepaarten Elektronen des Stickstoffs mit dem zentralen aromatischen Ring. Quantenmechanische Berechnungen zeigen, dass etwa 1.4 Elektronen am Stickstoff lokalisiert sind und 0.5 Elektronen über den Ring.
Stickstoff ist Bestandteil unzähliger biologisch aktiver Verbindungen, von komplexen Molekülen wie der DNA bis zu einfachen Arzneimitteln. Eine Strategie zum Einbau von Stickstoff zur gezielten Darstellung solcher Substanzen ist der Stickstoffgruppentransfer und erfolgt bspw. über Metall-Nitren Komplexe. Durch die hohe Reaktivität der Nitrenkomplexe ist eine gesteuerte C–N Bindungsknüpfung jedoch schwierig. Mit unserem stabilen Nitren könnte es nun möglich sein, stabile Metallkomplexe darzustellen, und so durch gezielten Stickstoffgruppentransfer selektiv biologisch aktive Substanzen aufzubauen.
Weitere Informationen:
https://www.uni-bremen.de/beckmann
https://www.science.org/doi/10.1126/science.adp4963
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Jens Beckmann
Universität Bremen
Fachbereich 02 Biologie / Chemie
Tel.: +49 421/218-63160
E-Mail: j.beckmannuni-bremen.de