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Prof. Dr. Jens Gamst - Eine Reise zu den Anfängen der Universität Bremen und des Fachbereiches 3

Im vergangenen Jahr feierte die Universität Bremen 50-jähriges Bestehen. Seit 49 Jahren, also fast seit deren Bestehen, arbeitet Herr Dr. Jens Gamst, Professor für Mathematik, am Fachbereich 3. In knapp einem halben Jahrhundert hat Gamst viele interessante Geschichten und Erlebnisse durchlebt.

Wir, der Fachbereich 3, finden, dass einige dieser Erlebnisse definitiv gehört werden sollten!

Bewusst ging Gamst vor fast 50 Jahren zu einer Reformuniversität; der Ruf als Rote Kaderschmiede schrecke ihn nicht ab. Für ihn zählten jedoch weder Karl Marx noch Theodor W. Adorno zu seinen Helden, viel mehr waren es Gottfried Benn und Charlie Parker. In den Gründungsjahren war die Mathematik im Gebäude NW1 untergebracht. Als Gamst dort vor fast 49 Jahren angefangen hat, war der Eingangsbereich mit Wandzeitungen verschiedener politischen Gruppen bedeckt.

Es fanden keine “Vorlesungen“ statt, sondern Arbeitsvorhaben in kleinen Gruppen mit einem gemeinsamen Plenum. In seinem ersten Semester in Bremen wurde er zum Vorhaben “Dynamische Programmierung“ eingeteilt. Dabei habe er jedoch damals von diesem Thema keine wesentliche Ahnung gehabt. Dafür lernte er, den Studierenden immer einige Wochen voraus, die Programmiersprache Fortran. Mit einem großen Kartenpaket unterm Arm ging er dann zum zentralen Rechner im Erdgeschoss des NW1, um einen Tag später einen Ausdruck auf Papier zu erhalten.

Um eine verlässliche Grundausbildung in Mathematik zu sichern, gründeten A.W. Fischer, J. Gamst, K. Horneffer das Arbeitsvorhaben “Mathematik Skripte“. In den siebziger Jahren traf man sich in jedem Semester wöchentlich zu zweistündigen Sitzungen, in denen intensiv Konzepte und Textentwürfe diskutiert wurden, gelegentlich kamen weitere Kollegen*innen hinzu. Die Manuskripte wurden mit großem Einsatz von den Schreibkräften, vor allem H. Eckl und V. Landau, auf Schreibmaschine mit Kugelköpfen druckfertig gemacht; so entstanden insgesamt 4 Bände zu je 250 Seiten, je zwei zu Analysis und Linearer Algebra. Diese wurden in hoher Auflage in der Universitätsdruckerei produziert und für Mathematikstudierende in den entsprechenden Vorlesungen frei verteilt, es gab aber auch Verkäufe an andere Universitäten wie z.B. Heidelberg.

Als der Studiengang Mathematik an der Universität Bremen eröffnet wurde, gab es noch keine Diplomprüfungsordnungen in Bremen. Die erste Diplomprüfungsordnung stammt von 1976, die letzte von 1998. Die letzte Diplomprüfung fand 2019 statt. In diesen Jahren war Gamst fast immer Mitglied im Diplomprüfungsausschuss, oft auch als Vorsitzender. Der Bologna Prozess führte auch hier zur Umstellung auf die Abschlüsse Bachelor und Master. „Jetzt ist alles viel mehr reglementiert und examensrelevante Zensuren gibt es von Anfang an, während beim Diplom alles von der Diplomarbeit und von mündlichen Schlussexamen abhing“, führt Gamst aus. Die Idee war früher, dass die Studierenden sich im Studium frei entwickeln können und dass es nur auf das Endergebnis ankommen sollte. Es gab kein Feilschen um Nachkommastellen bei einer Zensur oder um “Credit Points“ bei der Anrechnung von Modulen.

Wie die meisten Mathematiker*innen hält Gamst an Kreidevorträgen an der Wandtafel fest. Vorlesungen für mehr als 100 Teilnehmer*innen grenzten ans Sinnlose. „Guter Unterricht findet in kleinen Gruppen satt, am besten in Einzelbetreuung in den Monaten der Anfertigung einer Examensarbeit“, erzählt er uns.

Ein schönes Kontrastprogramm für Gamst waren die häufigen Besuche des Séminaire Bourbaki in Paris, eine Reihe von Seminarvorträgen, die seit 1948 in Paris gehalten werden und international als Spiegel des Forschungsstands in der Mathematik gelten. Diese Seminare fanden damals im Frühjahr und im Herbst jeweils an einem Wochenende statt – Gamst fuhr also am Freitagabend mit dem Nachtzug hin und am Montagmorgen wieder zurück.

Über die Jahrzehnte haben sich seine mathematischen Forschungsinteressen einige Male verändert. Ursprünglich galt sein Interesse differenzierbaren dynamischen Systemen. In den Achtziger Jahren wendete er sich der Symplektischen Geometrie zu und schließlich der Arithmetik Elliptischer Kurven. Das führte 1998 zur Gründung der WE AlZAGK (Algorithmische Zahlentheorie, Algebraische Geometrie und Kryptologie). Zusammen mit den Kollegen E. Oeljeklaus und M. Hortmann gründete Gamst diese Arbeitsgruppe. Bis zum Sommersemester 2012 haben sie jedes Semester ein zweistündiges Seminar zu wechselnden aktuellen Themen veranstaltet. Daraus sind viele Abschlussarbeiten hervorgegangen und so wie es bei Seminaren in der Mathematik Tradition ist, gab es am Semesterende jeweils ein Abschlussevent. Im Sommer zum Beispiel eine Kanufahrt auf der Wümme oder im Winter einen Bowlingabend in der Bremer City.

Seine Ämter im Fachbereich hat Gamst nun nach knapp 49 Jahre aufgegeben. Er bleibt aber der Bibliotheksbeauftrage der Mathematik. Er kommt also weiterhin gelegentlich ins Office, mit dem Fahrrad, aus dem Viertel, wo er schon seit 1982 lebt.

Vielen Dank Herr Prof. Dr. Gamst für diesen interessanten Einblick in fast 50 Jahre Fachbereichsleben!

Prof. Dr. Jens Gamst