Religionswissenschaft und -pädagogik

Diversität

Das Fach Religionswissenschaft ist in Bremen in besonderer Weise ein Ort, an dem Diversität unter Studierenden, Lehrenden und Forschenden gleichermaßen sichtbar wird. Das Institut fühlt sich daher in besonderer Weise dazu verpflichtet, mit Diversität und Heterogenität produktiv umzugehen, nicht zuletzt deshalb, weil das zentrale Forschungsanliegen des Fachs Religionswissenschaft auch und gerade im Verstehen und in der Kontextualisierung der vielfältigen religiösen Positionierungen in der Welt liegt.

Universität Bremen Grafik

Diversität in der Forschung

Die Forschungsfelder und -gegenstände der Religionswissenschaft sind prinzipiell von großer Diversität geprägt. Die Ursache dafür liegt zum einen in der perspektivischen und methodischen Interdisziplinarität des Faches, was sich auch in der Ausrichtung der vier Arbeitsbereiche des Instituts widerspiegelt. Die Interdisziplinarität wird ebenso durch die verschiedenen fachlichen Hintergründe der Forschenden am Institut repräsentiert, die sich aus Religionswissenschaft, Theologie, Philosophie, Ethnologie und Soziologie rekrutieren.

Vor allem aber ist diese Diversität dem grundlegenden Forschungsinteresse der Religionswissenschaft geschuldet, die große Bandbreite der globalen religiösen Welt zu kartographieren und in ihrem Entstehungsprozess, der Vielfalt ihrer kulturellen Kontexte und ihrer Verwobenheiten miteinander zu verstehen. Dementsprechend beschäftigen sich die Forschenden am Institut schwerpunktmäßig mit allen großen religiösen Traditionen der Welt (vor allem Islam, Christentum, Hinduismus und Buddhismus, aber beispielsweise auch mit der modernen Esoterik) in den unterschiedlichsten historischen und geographischen Kontexten.

Im schulischen Bereich steht die religiöse Pluralität im Zentrum des Faches „Religion“, das in Bremen überkonfessionell gelehrt wird.

Diversität in der Lehre

Obgleich es sich bei unserem Institut nicht um eine theologische Einrichtung handelt, ist festzustellen, dass viele Studierende ihr Studium in der Religionswissenschaft oft auch aus theologischen Interessen aufnehmen, mit denen ein kulturwissenschaftlich ausgerichtetes Fach umgehen muss. Zum zweiten speist sich das Interesse an Religion häufig aus den äußerst unterschiedlichen Herkunftskontexten der Studierenden: so finden sich neben ‚klassischen‘ sozial- und kulturwissenschaftlich interessierten Studierenden auch eine Vielzahl an unterschiedlich gläubigen Studierenden mit diversen kulturell-religiösen Hintergründen, ebenso wie Anhänger_innen einer atheistischen Weltsicht. Diese Vielfalt bedingt eine große Heterogenität des fachlichen Vorwissens, mit dem die Studierenden das Studium der Religionswissenschaft aufnehmen. Diese Heterogenität wird weiterhin durch die Tatsache verstärkt, dass schätzungsweise die Hälfte der Studierenden im FB 9 aus Familien stammen, die keinen akademischen Bildungshintergrund aufweisen, sowie durch den Umstand, dass im FB 9 insgesamt 13 Prozent der Studierenden Deutsch nicht als Muttersprache haben oder zweisprachig aufgewachsen sind.

In diesem Kontext treten aus didaktischer Sicht zwei Aspekte in den Vordergrund, die in den Lehrveranstaltungen am Institut besondere Berücksichtigung finden:

a) Die Wahrnehmung und Akzeptanz der verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Positionen, welche die Studierenden mitbringen.

Diese Positionen prägen (ebenso wie die verschiedenen biographischen/familiären Hintergründe) die unterschiedlichen, zum Teil völlig heterogenen Interessen, Sichtweisen und das Vorwissen, mit dem die Studierenden an ihr Studium und an die einzelnen Lehrveranstaltungen herantreten. Die Lehrenden nehmen die diversen Positionierungen der Studierenden daher zum Ausgangspunkt in der konkreten Gestaltung ihrer Lehrveranstaltungen, und zwar in dem Maße, dass das zu vermittelnde Fachwissen in Anknüpfung an das konkrete Vorwissen der Veranstaltungsteilnehmenden aufbereitet wird.

b) Die Kontextualisierung der thematisierten religiösen/weltanschaulichen Positionierungen zur Aufzeigung von Diversität als Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens.

Diese Kontextualisierung gehört zu den zentralen Vorgehensweisen religionswissenschaftlicher Arbeit. Sie dient der Verständlichmachung und Plausibilisierung religiöser Äußerungen im konkreten Kontext ihrer Zeit und Kultur. Die Einbettung religiöser Positionierungen in das diskursive Netzwerk von Konzepten und Argumentationsketten ihrer kulturellen/historischen Umgebung macht diese Positionen in ihrer Kohärenz plausibel und ermöglicht das Verstehen und die Akzeptanz von scheinbar ‚fremden‘ (weil unterschiedlichen Kontexten entstammenden) religiösen/weltanschaulichen Positionen. Aus diesem Grund liegt ein Schwerpunkt der Lehrveranstaltungen in der umfassenden Kontextualisierung der behandelten Forschungsgegenstände und religiösen Positionierungen. Auf diese Weise soll den Studierenden vermittelt werden, die thematisierten Positionen aus ihrem unmittelbaren zeithistorischen Kontext heraus zu analysieren und diese nicht leichtfertig anhand populärer Beurteilungsmuster der Gegenwart und/oder vor dem Hintergrund ihres eigenen biographischen Maßstabes zu bewerten.

Aktualisiert von: Y. Melcher