Die Fragen zur Rolle der ethnographischen Sammlungen im Kontext kolonialen Unrechts und ethische Fragen um die Rückgabe menschlicher Gebeine an die Herkunftsgesellschaften spielen in den Diskussionen in den anthropologischen Sammlungen und den deutschen Völkerkundemuseen eine immer bedeutendere Rolle. Weltweit ist die Rückgabe menschlicher Gebeine an die Nachkommen der Toten ein humanitärer Akt und ein Schritt hin zu Versöhnung und Verständigung. Für die Herkunftsgesellschaften ist dies auch ein Schritt in einem Heilungsprozess historischen Unrechts, denn die Mitnahme der menschlichen Gebeine durch Europäer erfolgte zumeist durch Raub und Grabplünderungen. Mit der Rehumanisierung der in den Sammlungen befindlichen Objekte als menschliche Gebeine lassen sich wieder biografische und historische Identitäten ermitteln. Für die Menschen aus den Ursprungsgesellschaften dieser Gebeine ist es wichtig, ihre Vorfahren im eigenen Land traditionell zu bestatten. Der Vortrag stellt zwei unterschiedliche Fallbeispiele der Provenienzforschung für menschliche Gebeine und die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Communities in Hawaii und in Broome in Australien vor.
Birgit Scheps-Bretschneider arbeitet als Kustos für Australien/Ozeanien am GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig/Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen. Sie arbeitete bei mehreren Feldforschungen zur Thematik „Oral History und Tradition“ mit Menschen der Arrernte, Luritja, Tiwi und Yolngu in Australien als auch mit den Ngapuhi in Aotearoa (New Zealand) und in Samoa. Weitere Themen sind die Geschichte der Ethnologie und der Völkerkundemuseen in Deutschland. Ihre Promotion wurde mit dem Titel “Das verkaufte Museum” (2004) publiziert. Seit 2016 ist sie Leiterin der Abteilung wissenschaftlichen Sammlungserschließung, Dokumentation und Provenienzforschung der ethnographischen Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit war die erste Rückgabe menschlicher Gebeine durch den Freistaat Sachsen 2017 an Hawaii und 2019 an Australien.