Ein Programm des Instituts für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Universität Bremen (Prof. Dr. Michi Knecht), des Instituts für Sozial- und Kulturanthropologie und des Instituts für Kunstgeschichte der Universität zu Köln (Prof. Dr. Martin Zillinger und Dr. Anna Brus) und des African Program in Museum and Heritage Studies der University of the Western Cape (Prof. Dr. Ciraj Rassool)
In den letzten Jahren sind koloniale Sammlungen und die koloniale Vergangenheit ethnographischer Museen zunehmend in den Mittelpunkt der Debatte um (post)koloniales Erbe gerückt. Museen stehen vor der Herausforderung, ihre Ausstellungspraxis zu dekolonisieren und ihre Sammlungsgeschichte auf Raubkunst, gewaltsame Verstrickungen und systematische Ausgrenzung zu untersuchen. Hier setzt die Lehrkooperation "Decentering the Museum" der Universität Bremen, der Universität zu Köln und der University of the Western Cape an, die künftigen Forscher*innen und Kurator*innen aus dem südlichen Afrika und Deutschland ermöglichen soll, sich mit der Transformation kolonialer Sammlungen und ethnologischer Museen, mit lokalen Archiven, kuratorischen Strategien und der Politik kultureller Identität in einer vernetzten Welt auseinanderzusetzen.
Vom 30. März bis 10. April 2022 kamen circa 40 Master-Studierende aus Bremen und Köln sowie Master- und PhD-Studierende aus Kapstadt in Deutschland zu einer gemeinsamen Reise durch missionarische und ethnographische Sammlungen und Museen zusammen. Das Austauschprogramm baute auf vorangegangenen gemeinsamen Online-Seminaren im Wintersemester 2020 und Sommersemester 2021 auf, in denen Studierende der drei Universitäten sich bereits mit dekolonialen Perspektiven auf Museen und Archive beschäftigt und eigene kollaborative Forschungen zu einzelnen Beständen deutscher Sammlungen durchgeführt hatten.
Während des 12-tägigen Studienaufenthalts besuchten die Teilnehmenden verschiedene Museen in Deutschland, darunter das Rautenstrauch-Joest Museum Köln, die Vereinte Evangelische Mission in Wuppertal, das Haus Völker und Kulturen in Sankt Augustin, das Überseemuseum Bremen, das MARKK - Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt in Hamburg, die Ausstellung „zurückgeschaut / looking back. Die erste deutsche Kolonialausstellung“ im Museum Treptow Berlin sowie das Humboldt-Forum in Berlin. In Diskussionsrunden und Vorträgen setzten sich die Studierenden und Lehrenden kritisch mit diesen Institutionen und ihren kuratorischen Praktiken auseinander.
Sie untersuchten Formen des Widerstands, Herausforderungen und Fallstricke der Restitution, museale Räume der Versöhnung sowie radikale neue Formen von Kollaboration. Die Studierenden traten in einen intensiven Austausch mit Museumsmitarbeitenden, Kurator*innen und Wissenschaftler*innen an den besuchten Standorten. Dabei wurden unterschiedliche Narrative und Positionierungen zur Aufgabe von Museen angesichts von Restitutionsforderungen und dem Umgang mit ihrer kolonialer Vergangenheit diskutiert. Eine zentrale Beobachtung war, dass emotionale Aspekte im institutionellen Umgang mit kolonialer Geschichte und Objekten sowie die Perspektiven von Besucher*innen aus ehemaligen Kolonien und Ländern des Globalen Südens oft unberücksichtigt blieben. Auch innerhalb der sehr heterogenen Gruppe, in der Teilnehmende ungleich von Rassismus und kolonialer Gewalt adressiert waren, stellte dies eine kontinuierliche Herausforderung dar. Eine fortwährende Reflexion über Formen der Zusammenarbeit in der Wissenschaft, den Museumsstudien und in kuratorischen Praktiken im Kontext dominanter epistemischer Regime begleitete die Begegnungen.
Ein langfristiger Austausch zwischen den beteiligten Institutionen, der auf dieser Initiative aufbaut, ist geplant. Im Sommer 2022 fuhren Studierende der Universität Köln nach Kapstadt, wo die kritische Auseinandersetzung mit kolonialen Sammlungen und musealen Praktiken vor Ort weitergeführt wurde. Im Herbst 2022 kamen Studierende der drei Universitäten erneut zusammen, um sich mit dem während des Study Visit von den Filmemacher*innen Britta von der Behrens und Sebastian Eschenbach aufgenommenem Filmmaterial zu beschäftigen. Das Ergebnis dieser Arbeit, die Videoinstallation re|despair – Painful Encounters in German Museums, dokumentiert die Schwierigkeiten kooperativer Forschung aus verschiedenen Positionalitäten heraus. Sie erzählt von Schweigen, Scham, Wut und Trauer angesichts epistemischer Gewalt. Wie lassen sich in einer politisch aufgeheizten Debatte Wissensformen dezentrieren? Was „kostet“ es – emotional, individuell, institutionell, politisch – in Deutschland „ungehörten“ Stimmen Gehör zu verschaffen? Die Videoinstallation wurde im Mai/Juni 2023 im Rahmen der European Conference on African Studies im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln gezeigt und im September 2023 im Johannesburg Holocaust & Genocide Centre.
Im Rahmen der Tagung „Der Elefant im Raum: Zur Auseinandersetzung mit Bremens (post-) kolonialer Geschichte und Gegenwart“ wird die Installation am 30. November und 1. Dezember im Haus der Wissenschaft in Bremen zu sehen sein. Die Studierenden werden das Projekt dort am 1. Dezember von 15:30 bis 16:30 Uhr im kleinen Saal vorstellen. Hier gehts zur Anmeldung.