Pflanzliche Reproduktion
Identifizierung von 3-Eltern-Pflanzen in dem Modellorganismus Arabidopsis thaliana
Es galt lange als unumstößlicher Grundsatz, dass Organismen, die sich sexuell fortpflanzen, nicht mehr als zwei Elternteile haben. Tatsächlich ist die Befruchtung einer Eizelle durch mehrere Spermien (Polyspermie) in vielen Organismen tödlich. Bei Blütenpflanzen war die Polyspermie der Eizelle bis vor kurzem ein hypothetisches Konzept, da es keine molekulargenetischen Instrumente zur Identifizierung und Verfolgung von Polyspermieereignissen gab. Wir haben ein Hochdurchsatzverfahren zum Nachweis von Polyspermie entwickelt, mit dem wir feststellen konnten, dass pflanzliche Eizellen mit überzählige Spermien verschmelzen können, und dass sich daraus lebensfähige polyploide Nachkommen entwickeln können. Darüber hinaus kann die Polyspermie zu Keimlingen mit einer Mutter und zwei Vätern führen. Unsere Ergebnisse zeigen zudem, dass Polyspermie ein Weg zur Erhöhung der Chromosomenzahl ist. Diese sogenannte Polyploidisierung gilt als wichtiger Mechanismus zur Bildung neuer Arten (Tekleyohans, Groß-Hardt 2019) (Nakel et al. 2017).
Auswirkungen auf die Pflanzenzüchtung: 3-Eltern-Kreuzungen können Hybridisierungsbarrieren überwinden
Der so genannte triploid Block ist eine weit verbreitete postzygotische Hybridisierungsbarriere des Endosperms, welches als Nährgewebe für den Embryo fungiert. Wir konnten zeigen, dass Polyspermie oftmals nur die Eizelle betrifft, wodurch der DNA Checkpunkt des Endosperms umgangen wird.
Unsere Entdeckung ist von zentraler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung angesichts der rasch voranschreitenden globalen Klimaerwärmung und der wachsenden Weltbevölkerung. Drei-Eltern-Kreuzungen können Zuchtprozesse beschleunigen und Hybridisierungsbarrieren umgehen. Damit können bisher nicht kompatible klimaresiliente Wildpflanzen für die Züchtung nutzbar gemacht werden. Zudem kann die Zeit bis zur Markteinführung klimaangepasster Saatgutsorten erheblich verkürzt werden (Nakel et al. 2020, Hater et al. 2020).
ECS1 und ECS2 regulieren die Polyspermie und unterdrücken die Bildung haploider Pflanzen durch Förderung der Doppelbefruchtung
Wir haben die ersten molekularen Komponenten identifiziert, die die Häufigkeit der Polyspermie regulieren: ECS1 und ECS2 kodieren für Endopeptidasen, und ein Funktionsverlust ist mit einem Befruchtungsdefekt, einer überzähligen Pollenschlauchanlockung und einer erhöhten Polyspermiefrequenz verbunden. Interessanterweise induzieren ecs1-ecs2 Doppelmutanten auch Haploidie, ein agronomisch höchst relevantes Merkmal (Mao et al. 2022).
EIN3 verhindert die Anlockung überzähliger Pollenschläuche und reguliert die Samengröße
Bei blühenden Pflanzen werden die Samenzellen von Pollenschläuchen geliefert, die von zwei Nachbarzellen der Eizelle, den sogenannten Synergiden, angelockt werden. Eine erfolgreiche Befruchtung beendet die Anlockung der Pollenschläuche. Wir haben gezeigt, dass durch die Befruchtung der Transkriptionsfaktor EIN3 aktiviert wird. Dieser induziert wiederum die Disintegration der Synergiden und trägt damit zum Stop der Pollenschlauchanlockung bei (Völz et al. 2012). Darüber hinaus haben wir herausgefunden, dass EIN3 eine doppelte Rolle bei der Regulierung der Samengröße spielt, einem Parameter, der den Ernteertrag entscheidend beeinflusst. Auf der Grundlage der Analyse mehrerer Ethylenbiosynthesemutanten konnten wir zeigen, dass EIN3 die Endosperm- und Samenentwicklung in einem durch Ethylen regulierten Signalweg unterdrückt. Darüber hinaus konnten wir nachweisen, dass die durch EIN3 vermittelte Disintegration der Synergiden die Expansion des Endosperms fördert. Während die wachstumshemmende, ethylenabhängige EIN3-Wirkung offenbar von sporophytischem Gewebe kodiert wird, wird die…
Raum für Innovation
Roboter assistierte Hochgeschwindigkeitszüchtung
Der Klimawandel erfordert Pflanzen, die unter extremen Wetterbedingungen hohe Erträge liefern. Dazu ist es notwendig, beschleunigte Züchtungsverfahren zu entwickeln, mit denen in neue Sorten hergestellt werden können. Ziel des Kooperationsvorhabens mit dem KMU Bock Bio Science ist es, mittels Gewebekultur und Automatisierung ein Methodenpaket zu entwickeln, welches schnelle Generationszyklen, künstliche Kultursystemen und eine verlässliche Erkennung von Drei-Eltern-Hybriden für Solanum tuberosum (Kartoffel) kombiniert. Neue Kultur- und Polyploidisierungsverfahren sowie die Programmierung lernfähiger Bilderkennungsalgorithmen werden im Vorhaben erforscht.
Kontakt
Dr. Thomas Nakel
nakel@uni-bremen.de
Telefon: +49 421 218 50202