(AKAD03) Von weisen Bäumen und wunderbaren Wäldern… Teil 2

Das Verhältnis von Baum, Wald, Mensch und Natur. Eine kulturwissenschaftliche Annäherung

»Hier, im Innern des Neuen Kontinents,
gewöhnt man sich beinahe daran,
den Menschen als etwas zu betrachten,
das für die Ordnung der Natur nicht von Notwendigkeit ist.«

(Alexander von Humboldt, Reise in die Äquinoktial-Gegenden des Neuen Kontinents, 182)

 

Der Wald mit seiner vielfältigen Flora und Fauna und seiner besonderen Atmosphäre scheint – wieder einmal – Hochkonjunktur zu haben. Waldbaden, Forest Yoga, Glamping, Survival Training … sind gegenwärtig nur einige der (Lifestyle-) Trends, die versprechen, Natur unmittelbar zu erleben oder mehr noch: eine ‚heilende‘ Verbindung mit der Natur einzugehen. Für viele Menschen ist der Wald offensichtlich immer noch der Ort schlechthin für eine Begegnung mit der „unberührten“ Natur: entweder als Ort der Selbstfindung/-erprobung oder aber als ein Refugium der Ruhe und Entschleunigung, als eine Sphäre der Resonanzerfahrung (Hartmut Rosa). Und dies, obgleich die vielschichtigen und fragilen Ökosysteme der Wälder und ihre Artenvielfalt weltweit selbst massiv ‚unter Druck‘ stehen…
Zur Erinnerung: In Teil 1 (WiSe 2024/25) zeigte sich, dass bereits um 1800 in Europa intensive Reflexionen über die tiefgreifenden Folgen menschlicher Interventionen in der Natur beginnen. Die romantische Bewegung setzt den Verengungen eines neuzeitlich-rationalistischen Denkens, die Natur lediglich als ökonomisch bedeutsame materielle Ressource zu betrachten, ihre Vorstellung von Natur als einer lebendigen, selbsttätigen Kraft entgegen, mit der die Menschen in Wechselwirkung stehen. Die literarisch entfaltete „wunderbaren Wälder“ eröffnen bislang ungeahnte Möglichkeiten, den Wald sinnlich-ästhetisch wahrzunehmen und sich mit und in ihm als Mensch neu zu verorten. Die tiefe Verbundenheit zum Wald wird jedoch auch immer wieder politisch instrumentalisiert und insbesondere der „deutsche Wald“ als Projektionsfläche für nationalistische, rassistische und später nationalsozialistische Ideologien und Weltanschauungen missbraucht. In den Debatten um das „Waldsterben“ wird der Wald in den 1980er Jahren zum Sinnbild fortschreitender Umweltzerstörung, wobei es angesichts der drohenden Klimakatastrophe in den letzten Jahren zu einer Globalisierung des ‚deutschen Blicks‘ auf den Wald kommt und die großflächige Zerstörung der tropischen Regenwälder weltweit in den Fokus rückt. Spätestens hier zeigt sich, dass die Wälder dieser Erde heute nicht nur im Zentrum von Konflikten um natürliche Ressourcen stehen; sie sind Gegenstand unterschiedlicher gesellschaftlicher (Macht-)Interessen, Vorstellungen und Verteilungskämpfen; ihre Bedeutung ist emotional, symbolisch und kulturell hoch aufgeladen, auch, weil es um das Überleben der Menschheit geht…

Teil 2 (SoSe 2025)
An diesen Überlegungen soll in einer globalen Perspektive auf heutige und zukünftige Wälder weitergearbeitet werden. Ungeachtet internationaler Vereinbarungen und Bestrebungen, den Verlust von Wäldern und der Biodiversität zu stoppen, hält der Raubbau an den Wäldern der Erde und damit ihr Verschwinden unvermindert an. Die Gründe sind vielfältig: die Umwandlung der Wälder in Acker- und Weideflächen, das Vordringen von Siedlungen und Infrastrukturen und der extensive industrielle Holzeinschlag sind die wichtigsten Faktoren. Nicht zuletzt bedrohen anthropogener Klimawandel und Naturkatastrophen die Wälder weltweit. Für das Verständnis, die Bewertung und Umsetzung von Waldschutz- und Klimamaßnahmen wurde inzwischen sogar vom Weltklimarat IPCC nicht nur der Wert des indigenen Wissens explizit anerkannt, sondern die Zusammenführung des „wissenschaftlich-akademischen, indigen und lokalen Wissens“ befürwortet. Die „Hüter der Wälder“ – oft unmittelbar von der Waldzerstörung in ihren Lebensgrundlagen bedroht – können sich auf praktisch bewährte, über Generationen hinweg überlieferte Wissenssysteme berufen. Moderne Gesellschaften könnten für einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen sicherlich einiges lernen.
Was bleibt, sind drängende Fragen: Wie können wir unser Verhältnis zu Wald und Natur in Zukunft so gestalten, dass wir sie nicht zerstören, sondern – insbesondere mit Blick auf urbane Städte und Metropolen - unsere modernen Lebensverhältnisse mit und in ihnen gestalten? Wieviel Einfühlungsvermögen, Emotionalität und auch Kreativität bräuchte es für eine zukunftsfähige (Mit-)Welt? Und: Sollten wir in diesem Sinne nicht doch „Mehr Wildnis wagen“?
In diesem Kontext gewinnt die (romantische) Vorstellung, dass die Natur eigene Rechte besitzt, an Aktualität. Eine Idee mit der (Spreng-) Kraft, das Verhältnis von Menschen und Natur grundsätzlich in Frage zu stellen: Die Natur soll - und hat bereits auf massiven Druck indigener Völker in einigen Ländern - eigene Rechte bekommen. Doch, auch allein die Frage zu formulieren, ob und welche Rechte ein Wald, ein Fluss, ein Meer … haben, verschiebt schon den Blick und hilft, sich eine andere Welt vorzustellen…
Das Seminar veranschaulicht – medial gestützt und in kritischer Auseinandersetzung – kulturwissenschaftliche Reflexionen des Verhältnisses von Baum, Wald, Mensch und Natur, indem historische wie aktuelle Debatten, Strategien und Vorgehensweisen (in Wissenschaft, Kunst/Literatur, Städtebau/Architektur, Politik, Wirtschaft…) exemplarisch betrachtet werden. Inhaltlich vertieft wird dies in Gesprächen mit Experten aus den Bereichen Forstwirtschaft und Architektur/Baubotanik.
 

Literatur:
Für das Seminar wird eine Textsammlung in Form eines Readers zur Verfügung gestellt.

Anmerkung:
Geplant sind jeweils 10 Veranstaltungen bis Ende Juni 2025, zusätzlich zur inhaltlichen Ergänzung sind eine Exkursion und ein Ausstellungsbesuch vorgesehen. Näheres wird in der Veranstaltung erläutert.
 


Dozentin:    Dr. Ursula Dreyer

Veranstaltungsart:     nur in Präsenz (Akademie, Raum: B 0770):
Gruppe AKAD03A   - dienstags, 10:00 s.t. - 12:30 Uhr, jeweils mit einer kurzen Pause (08.04. – 24.06.2025, 29.04. + 27.05.2025 entfallen)

Veranstaltungsart:   hybrid, in Präsenz (Akademie, Raum B 0770) oder wahlweise Online-Teilnahme:
Gruppe AKAD03B   - donnerstags, 10:00 s.t. - 12:30 Uhr, jeweils mit einer kurzen Pause (10.04. – 26.06.2025)

Die Inhalte beider Gruppen sind identisch.

Hinweise:                  Teilnehmerbegrenzung: 40 Personen in Präsenz

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