(AKAD07) Uwe Johnsons Roman „Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“ (1970)
Uwe Johnson ist einer der wichtigsten literarischen Chronisten der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Insbesondere die Folgen von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg, von Mauerbau und deutscher Teilung, wie auch das Jahr „1968“ mit den Vietnamkriegs- und Studentenprotesten sowie der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ stehen im Zentrum seines Schreibens. Im Erzählen bindet Johnson die persönlichen Schicksale seiner Figuren so an die geschichtlichen Ereignisse, dass Zwänge und Dilemmata deutlich werden. Der Roman „Jahrestage“, der in vier Schüben von 1970 bis 1983 erschien, ist Johnsons damals wie heute bewundernswertes Meisterwerk. Im Zentrum des Erzählens steht die 1933 in Mecklenburg geborene und im Jahr 1967/68 in New York lebende Gesine Cresspahl, die ihrer zehnjährigen Tochter die Familiengeschichte erzählt. Der Bogen reicht vom Kennenlernen der Eltern in den frühen 1930er Jahren über die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs bis in die Nachkriegszeit. Auf die Gründungsjahre der DDR folgen die 1950er Jahre in der BRD, am Ende mündet die Erzählebene in der Gegenwartsebene des Jahres 1968. Dem New Yorker Alltag wird von Tag zu Tag gefolgt – vom 20. August 1967 bis zum 20. August 1968 –, eingebunden sind Gesines Erzählungen und Reflexionen sowie Maries Nachfragen. Das Erinnern wird dabei als „Katze“ erfahren, „unabhängig, unbestechlich, ungehorsam. Und doch ein wohltuender Geselle, wenn sie sich zeigt, selbst wenn sie sich unerreichbar hält.“
Uwe Johnson wurde am 20. Juli 1934 in Cammin in Pommern (heute: Kamień Pomorski in Polen) geboren und wuchs zunächst in Anklam in Vorpommern auf. Im Februar 1945 floh die Familie zunächst nach Recknitz in Mecklenburg. Der Vater wurde in die Ukrainische Sowjetrepublik deportiert und 1948 für tot erklärt. 1946 zog Johnson mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Güstrow, wo er von 1948 bis zu seinem Abitur im Jahr 1952 die John-Brinckman-Oberschule besuchte. Zwischen 1952 und 1956 studierte Johnson Germanistik in Rockstock und Leipzig, parallel schrieb er seinen ersten Roman „Ingrid Babendererde. Reifeprüfung 1953“. Während Johnsons Mutter und Schwester 1956 in die BRD gingen, blieb er selbst zunächst in der DDR und hielt sich mit Übersetzungen, Verlagsgutachten und Lektoraten über Wasser. Im Oktober 1959 wurde sein zweiter Roman „Mutmaßungen über Jakob“ im Suhrkamp Verlag veröffentlicht und sogleich ein Erfolg bei der Literaturkritik. Nun siedelte auch Johnson über, nach West-Berlin. Wenige Wochen nach dem Mauerbau 1961 erschien der Roman „Das dritte Buch über Achim“. 1962 trat Johnson ein mehrmonatiges Stipendium in der Villa Massimo Roman an; er heiratete und wurde Vater einer Tochter. 1964 veröffentlichte Johnson einen Erzählband mit dem Titel „Karsch, und andere Prosa“. Darin kommt auch der Lebenslauf von Gesine Cresspahl, die bereits in den „Mutmaßungen über Jakob“ eine Rolle spielte, vor. Es wird hier wie auch in anderen Konstellationen deutlich, dass Johnsons Figuren über die Grenzen einzelner Werke hinaus miteinander verwoben sind. 1965 erschien „Zwei Ansichten“, der Roman erzählt eine Fluchtgeschichte zur Zeit des Mauerbaus. Da den Autor die Situation im geteilten Deutschland bedrückte, lebten Johnson und Familie von 1966 bis 1968 in New York. Er arbeitete dort zunächst als Schulbuchlektor, dann setzte er sein schriftstellerisches Wirken mit einem Stipendium fort. Johnsons jahrelange Arbeit an den „Jahrestagen“ begann in dieser Zeit. Im August 1968 musste Johnson mit seiner Familie zunächst nach West-Berlin zurückkehren, 1974 zogen sie ins englische Sheerness-on-Sea. Nach der Vollendung der „Jahrestage“ 1983 plante Johnson verschiedene Reisen und Erzählprojekte, zur Verwirklichung kam es wegen der Verschlechterung seines Gesundheitszustands nicht mehr. Am 12. März 1984 wurde Johnson in seinem Haus in Sheerness-on-Sea tot aufgefunden.
In diesem Seminar soll die erste Veröffentlichung aus dem Jahr 1970 (d.h. die Einträge vom 20.08.1967 bis zum 19.12.1967) behandelt werden. Das Thema wird in den nächsten Semestern fortgesetzt.
Dozentin: Dr. Ina Düking
Zeit: 13 x donnerstags, 14:15 s.t. - 15:45 Uhr, ab dem 17.10.2024 (nicht am 19.12.2024)
Veranstaltungsart: nur in Präsenz (Akademie, Raum B 0770)
Hinweis: Teilnehmerbegrenzung: 40 Personen in Präsenz
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