(AKAD08) Matthias Jüglers Romane „Die Verlassenen“ (2021) und „Maifliegenzeit“ (2024)

In diesem Seminar sollen zwei kurze Romane behandelt werden, die in der Literaturkritik „feinsinnige Familienromane über dunkle Kapitel ostdeutscher Geschichte“ genannt werden und daher zur vertieften Analyse und Diskussion einladen. Über Jüglers Roman „Die Verlassenen“ schrieb die Süddeutsche Zeitung: „Die Nachgeborenen der DDR-Diktatur fangen an, sich über die Verbrechen Gedanken zu machen, die ihre Eltern einander angetan haben und welche Spuren diese Verbrechen auch in den folgenden Generationen hinterlassen.“ Jügler schreibt in seinem Roman über Johannes, den der frühe Tod seiner Mutter sowie das rätselhafte Verschwinden seines Vaters nicht loslassen. In seiner Kindheit bleiben dazu all seine Fragen unbeantwortet, so dass er auch als Erwachsener still und melancholisch durchs Leben geht. Als Johannes in einer alten Kiste auf einen Brief stößt – adressiert an seinen Vater und abgeschickt nur wenige Tage, bevor dieser den Sohn wortlos verlassen hatte –, verändert dieser Fund nicht nur seine Zukunft, sondern vor allem seine Vergangenheit als Kind der Vorwende-DDR. Seine Erinnerungen sortieren sich neu und mit ihnen sein Blick auf das eigene Leben. In der Mitteldeutschen Zeitung wurde Jüglers Roman wie folgt gelobt: „Ein Roman, der seine inhaltliche Wucht mit einer Unaufgeregtheit entfaltet, die diese Wucht gleichsam steigert, ohne sie auszustellen. [...] Seine Genauigkeit im Sozialen übersieht nichts. Es ist diese Genauigkeit, die den Roman für jeden Leser anschlussfähig macht. [...] Ein erstaunlicher, anrührender, von jedweder Ost-Propaganda gleichweit entfernter Roman.“

Auch im Roman „Maifliegenzeit“ wendet sich Jügler den Nachwirkungen des DDR-Unrechtsstaates zu. Er erzählt die Geschichte von Katrin und Hans, die den Alptraum aller Eltern erleben: nach der Geburt ihres Sohnes wird ihnen im Krankenhaus unweit von Leipzig mitgeteilt, er sei plötzlich verstorben. Katrin quälen Zweifel an der Darstellung der Ärzte. Von diesen jedoch will Hans nichts wissen, was das Paar entzweit. Als Katrin Jahre später stirbt, wird klar, dass sie mit ihren Befürchtungen womöglich Recht hatte. Hans stößt nun bei Recherchen, die weit in die Geschichte der DDR zurückreichen, auf Ungereimtheiten und eine Mauer des Schweigens. Klären kann er seine Fragen in Zusammenhang mit dem Tod des Säuglings nicht, doch der Gedanke daran, in einem entscheidenden Moment seines Lebens versagt, etwas versäumt, einen Fehler begangen zu haben, lässt ihn künftig nicht mehr los. Da klingelt eines Tages das Telefon und sein Sohn ist am Apparat. Aufgewachsen in einer Adoptivfamilie, unterscheidet sich seine Vorstellung von der Vergangenheit grundlegend von dem, was Hans ihm erzählt. Es stellt sich die Frage, wie sie mit der Kluft von vierzig fehlenden gemeinsamen Jahren umgehen können. Die Neue Zürcher Zeitung nennt „Maifliegenzeit“ einen „exzellenten Roman“. Neben anderen, aktuell von einer jüngeren Generation publizierten Romanen steche er heraus: „Endlich scheint die literarische Aufarbeitung [der DDR], die bislang nur tropfenweise stattgefunden hat, zu einem Strom zu werden. Matthias Jüglers Roman funkelt darin wie ein diamantener Kieselstein.“

Matthias Jügler wurde 1984 in Halle an der Saale geboren. Er studierte Skandinavistik und Kunstgeschichte in Greifswald und Oslo sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sowohl für seinen Debütroman „Raubfischen“ (2015) wie auch für „Die Verlassenen“ (2021) wurde er mehrfach ausgezeichnet. 2022 erhielt er den Klopstock-Preis für Literatur des Landes Sachsen-Anhalt. Jügler lebt in Leipzig. Neben seinem literarischen Schreiben übersetzt er Literatur aus dem Norwegischen und ist als freier Lektor tätig. Für „Maifliegenzeit“ erhielt er den Rheingau Literatur Preis.

 

Literatur:
Matthias Jügler: Die Verlassenen. Roman. München 2021. Als Taschenbuch erhältlich.
Matthias Jügler: Maifliegenzeit. Roman. München 2024. Gebundene Ausgabe.
 


Dozentin:         Dr. Ina Düking

Termine:   Mo. 28.04. + Mo. 05.05. + Mo. 12.05.  + Mo. 19.05. + Mo. 26.05. + Mo. 02.06. + Ausweichtermin Di. 10.06., (nicht am 16.06.) + Mo. 23.06. + Mo. 30.06. + Mo. 07.07.2025

Zeit:                 14:15 (s.t.) bis 15:45 Uhr

VeranstaltungsartOnline-Seminarreihe

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